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Live Fast, Play Dirty, Get Naked

Titel: Live Fast, Play Dirty, Get Naked Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Stück Fleisch wär oder so.« Ich schüttelte den Kopf. »Du klingst wie ein Serienkiller.«
    Er lachte.
    Ich funkelte ihn an. »Das ist nicht lustig .«
    Sein Lachen brach ziemlich abrupt ab, was irgendwie beunruhigend war, dann starrte er mich an. »Du kapierst es einfach nicht, oder?«
    »Was kapier ich nicht?«
    »Schau mal«, erklärte er. »Nur weil ich die Worte schreibe und ich sie singe, bedeutet das doch nicht, dass sie meine Überzeugung sind. Verdammt, Lili, ich meine … man kann doch auch aus dem Blickwinkel anderer Leute schreiben, begreifst du das nicht?«
    »Ja, aber –«
    »Und außerdem geht es in dem Song sowieso nicht um das körperliche Verlangen nach jemandem. Es geht darum, jemanden so sehr zu wollen, jemanden so sehr zu lieben , dass du tatsächlich der andere sein willst.« Er sah mich fest an. »Verstehst du? Du willst nicht bloß mit ihm zusammen oder Teil seines Lebens sein. Du willst in ihm sein.«
    Obwohl seine Erklärung damals absolut einleuchtend klang, war ich bei Weitem nicht überzeugt, und jedes Mal, wenn wir Inside You spielten, fühlte ich mich ein bisschen unwohl. Und an jenem Abend, als wir die erste Strophe des Songs beendeten und Curtis anfing, den Refrain zu singen –

    I WANNA BE
    I WANNA BE
    I WANNA BE
    INSIDE YOU
    – merkte ich, wie er beim Singen jemanden ganz vorn in der Menge intensiv anstarrte, und als ich seinem Blick folgte, erkannte ich plötzlich die unerträglich schöne Gestalt von Charlie Brown. Sie tanzte nicht oder irgendwas, sondernstand einfach nur da, ganz allein, unvorstellbar cool, die glühenden schwarzen Augen auf Curtis gerichtet, während er für sie sang. Und das tat er eindeutig – er sang für sie.

    I WANNA BE
    INSIDE YOU …
    Es dauerte nicht sehr lange, dieses intime kleine Ständchen, und bis zum Ende des Songs hatte sich Charlie Brown schon umgedreht und war lässig davongeschlendert, wobei sie im Gehen Curtis noch einmal kokett über die Schulter anblickte. Ich versuchte, das Ganze gelassen zu nehmen und mir einzureden, dass es nicht wirklich was zu bedeuten hatte, sondern nur Teil der Show war … Als Frontmann in einer Rock ’n’ Roll-Band musste Curtis so etwas tun … ich konnte ja schlecht erwarten, dass er sich als mein Freund gab, wenn wir auf der Bühne standen.
    Aber egal, wie sehr ich mich bemühte, Reife zu zeigen, ich schaffte es einfach nicht. Ich war nicht reif . Ich war sechzehn. Curtis war mein erster richtiger Freund. Er war der erste Junge, mit dem ich geschlafen hatte … verdammt, wir liebten uns. Ich konnte zwar nicht genau sagen, was das für unsere Bindung oder unsere gemeinsame Zukunft bedeutete, doch das war nicht der Punkt. Der Punkt war, Curtis gehörte zu mir, er war mein Freund, und ihn für ein anderes Mädchen singen zu sehen, ausgerechnet diese Worte für sie singen zu sehen, direkt vor meinen Augen …
    Es machte mich fertig.
    Und bei den nächsten paar Songs fand ich es wirklich schwer, mich zu konzentrieren. Ich machte zwar keine größeren Fehler, doch ich spielte ein paar echt beschisseneTöne und war haarscharf davor, den Schluss eines Songs zu verpatzen. Nicht dass ich glaube, jemand von den Zuhörern hätte irgendwas gemerkt. Aber Curtis merkte es eindeutig, und als er vor dem nächsten Song zu mir rüberkam – während er unterwegs seine Gitarre stimmte –, erwartete ich, dass er mich zur Sau machen oder mich zumindest auf meine Fehler hinweisen würde, und machte mich schon bereit, ihm zu antworten, irgendwas Bissiges, Schroffes, oder vielleicht würde ich ihn auch nur total ignorieren oder ihm einen vernichtenden Blick zuwerfen … doch nichts von alldem geschah. Stattdessen kam er mit einem herzerweichenden Lächeln auf mich zu, nahm kurz meine Hand und beugte sich dann so dicht zu mir, dass ich die Wärme seiner Lippen spürte, als er mir ins Ohr flüsterte: »Ich liebe dich.« Und ehe ich dazu kam, etwas zu antworten, küsste er mich auf den Nacken, ließ meine Hand los und lief zurück an den Rand der Bühne, um den nächsten Song anzusagen.
    Ich wusste natürlich, es waren nur Worte – Ich liebe dich –, und ich wusste auch, dass sie eigentlich nichts daran ändern dürften , wie ich mich fühlte, dass sie nichts wiedergutmachen dürften , dass ich mich durch sie nicht besser fühlen dürfte … und ich wusste, wie erbärmlich es war, dass ich mich besser fühlte . Ich wusste, dass das behämmert und dumm war von mir, und ich wusste, ich hatte allen Grund, mich dafür zu schämen.

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