Live Fast, Play Dirty, Get Naked
Und ich schämte mich auch.
Doch das änderte nichts.
Ich fühlte mich trotzdem richtig gut.
Getäuscht oder nicht …
Ich fühlte mich wieder begehrt .
Und das reichte mir.
»Dieser Song ist für Lili«, kündigte Curtis das nächste Stück an. »Er heißt The Only Thing .«
Wir spielten zehn Songs an dem Abend, und als wir schließlich die Bühne verließen, klatschte, jubelte und stampfte das Publikum noch gute fünf Minuten weiter. Es war ein herrliches Gefühl – verschwitzt und ausgelaugt, erschöpft und ekstatisch in der Umkleide zu sitzen und die Menge »Zugabe« schreien zu hören –, und ich glaube, wir waren alle sehr versucht, noch mal rauszugehen und ein, zwei weitere Songs zu spielen, aber Jake sagte unerbittlich Nein.
»Lasst die Leute immer nach mehr verlangen«, meinte er und zündete sich einen Joint an. »Wenn sie mehr hören wollen, sollen sie wiederkommen, um euch zu hören.«
Also blieben wir alle noch eine Weile, wo wir waren, redeten und tranken, lachten über dies und das und zogen Jake wegen des »Kampfs« mit dem Biker und seines schon etwas blau unterlaufenen Auges auf … und langsam beruhigte sich alles ein bisschen. Der Besitzer der Bar kam herein und gratulierte uns zu dem Auftritt, danach verschwand Jake mit ihm, um was »Geschäftliches« zu bereden, was vermutlich hieß, das Geld für unseren Auftritt zu kassieren und vielleicht die Konditionen für einen Dauerauftritt auszuhandeln.
Schließlich kam Curtis zu mir rüber, gab mir einen dicken verschwitzten Kuss und fragte mich, ob ich okay sei.
»Ja«, sagte ich. »Alles in Ordnung.«
»Gott, das war so verdammt gut , was?«
»Ja …«
»Ich meine, das war es doch, oder? Verdammt, das war es doch einfach.«
Wahrscheinlich hatte er irgendwann noch mal Speed genommen, denn sein Blick schoss durch die Gegend und er leckte sich ständig die Lippen. Die Schnittwunde am Kopf war wieder aufgebrochen und ein kleines Rinnsal Blut lief ihm übers Gesicht.
»Hör mal, Curtis«, fing ich an. »Vielleicht sollten wir –«
»Willst du ein Bier oder was?«, fragte er und schaute über die Schulter durch die offene Garderobentür Richtung Bar. »Ich versuch eben Malcolm zu finden, bevor er geht. Mal hören, wie er uns fand.« Er sah wieder zu mir. »Okay?«
Nein , dachte ich mit wieder aufflammender Eifersucht. Es ist nicht okay. Denn du gehst sicher nicht Malcolm suchen, stimmt’s? Du willst doch nur Charlie Brown finden …
Curtis lächelte mich an. »Ich bring dir ein Bier mit, wenn ich zurückkomme, ja?«
»Ja …«
Er küsste mich – ein flüchtiger Kuss auf die Stirn – und ging.
Einen Augenblick saß ich da, schaute zu Boden und tat mir irgendwie leid … doch dann erinnerte ich mich, dass ich ja nicht allein war. Ich hob den Blick und schaute hinüber zu Kenny und Stan. Sie saßen zusammen stumm in der Ecke – Stan mit einer Flasche Bier in der Hand, während Kenny mit einem Tuch den Schweiß von seinen Gitarrensaiten wischte.
Stan lächelte mich an. »Alles okay?«
Ich nickte.
Kenny hörte auf, seine Gitarre zu putzen, und sah zu mir rüber. Ein, zwei Sekunden lang sagte er nichts, sondern saß nur da und starrte mich schweigend an. Und als er wieder nach unten auf seine Gitarre schaute, dachte ich schon, das war’s.
Doch ich irrte mich.
»Er meint das nicht so«, sagte er leise, ohne aufzusehen.
»Wie bitte?«
»Curtis … wenn er Dinge tut, die dich verletzen … er meint das nicht so. Er ist nur eben …«
»Nur eben was?«, fragte ich.
Kenny zuckte die Schultern. »Nur eben Curtis.«
7
Der Mädchenname meiner Mutter war Mari Ellen James und sie wurde in einem kleinen Bauerndorf außerhalb von Bangor in Nordwales geboren, wo sie auch aufwuchs. Ihre Mutter war Alkoholikerin und ihr Vater jemand, der mit Wollust gewalttätig war. Meine Mutter verließ mit fünfzehn die Schule, wurde mit sechzehn schwanger und verlor das Baby eine Woche vor der geplanten Hochzeit. Die Hochzeit wurde daraufhin ausgesetzt, und während sich meine Mutter von der Fehlgeburt erholte, schlich sich der künftige Ehemann – ein Bauernsohn aus dem Nachbardorf – eines Nachts aus dem elterlichen Haus, wanderte zu Fuß nach Holyhead und nahm dort die erste Fähre nach Dublin.
Meine Mutter sah ihn nie wieder.
Etwa ein Jahr später, als sie als Kellnerin in einem Tearoom in Bangor arbeitete, wurde sie von einem Gast angesprochen – einem elegant gekleideten Herrn mit englischem Akzent –, der behauptete, Inhaber einer
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