Live Fast, Play Dirty, Get Naked
zu beschreiben, doch in jener Anfangszeit – bevor alles schiefging – gab es eine unglaublich starke kreative Dynamik zwischen den beiden.
Es war von Anfang an klar, dass Curtis ihn als Musiker respektierte. Und wenn auch seine Haltung gegenüber William als Person nie ganz eindeutig wirkte – zumindest am Anfang nicht –, war für mich doch erkennbar, dass ihn Curtis ein wenig bewunderte, auch wenn er das niemals zugegeben hätte. Er tat alles, um das zu verschleiern – machte sich ständig über William lustig, zog ihn auf, lachte ihn aus –, aber ich hatte immer das Gefühl, wenn William »Schluss!« oder »Halt den Mund!« sagen würde oder ihn einfach nur mit einem entsprechenden Blick ansähe, hätte Curtis schnellstens getan, was William verlangte.
Doch William sagte nie, dass er aufhören sollte.
Es reichte ihm, nur vor sich hin zu lächeln und Curtis zu ignorieren.
Und als William anfing, Vorschläge zu machen, wie man einige Songs verbessern könnte, was er nach ein paar Wochentat, hörte ihn Curtis nicht nur an – wenn auch anfangs unwillig –, sondern stimmte ihm schließlich sogar zu. Was für Curtis eigentlich ein Unding war. Doch es gab keinen Zweifel, dass Williams Input die Songs wirklich verbesserte.
Einer der ersten Punkte, die William ansprach, war die Frage, wieso wir alles so schnell spielten.
»Weil wir ’ne Punkband sind, deshalb«, erklärte ihm Curtis. »Wir spielen laut und schnell.«
»Ja, schon, aber wieso?«
»Wieso nicht?«, sagte Curtis grinsend.
»Ich finde einfach –«
»Es geht allein um die Power , klar?«, blaffte Curtis dazwischen. »Um Power und Tempo, Einfachheit. Drei-Minuten-Songs, keine Solos, kein scheiß Rumgewichse –«
»Du meinst, genau wie bei den andern?«
»Was ist?«
»Wie bei den ganzen andern Punkbands. Du willst genauso klingen wie sie?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Ich dachte, Punk hätte damit zu tun, dein eigenes Ding zu machen.«
»Ja, schon …«
»Wieso willst du dann alle andern kopieren?«
»Es geht nicht ums Kopieren , sondern …«
»Pass auf, Curtis«, sagte William leise. »Du schreibst echt gute Songs, ja? Ich meine, es sind wirklich gute Songs. Du musst sie nicht alle mit zweihundert Stundenkilometern spielen. Sie haben auch so genug Power. Und sie werden noch besser und sogar stärker klingen, wenn du sie etwas langsamer spielst.« Er sah Curtis an. »Die Power kommt nicht davon, wie schnell du den Song spielst. Die Power kommt vonder Art , wie du spielst, aus dem Song selbst. Schau, ich zeig dir mal, was ich meine.«
Und das tat er; er spielte die Akkorde von Stupid in langsamerem Tempo, mit leicht geändertem Rhythmus, und er hatte recht – es klang wirklich besser. Viel stärker, viel energiegeladener, viel mehr von allem. Und mit den meisten andern Songs ging es genauso. Eine leichte Veränderung des Tempos hier, ein bisschen anderer Rhythmus dort … und auf einmal war es, als hätten wir völlig neue Songs.
Bessere Songs.
Einen besseren Sound.
Eine bessere Band.
Curtis begriff alles sofort und fand sich ganz selbstverständlich in die neuen Rhythmen und die neue Art, einen Song zu spielen, ein, und nachdem er mir gezeigt hatte, was er machte, fand auch ich mich schnell zurecht. Nur Stan hatte anfangs ein paar Probleme. Nicht dass es ihm unmöglich war, die Art, wie er die Songs spielte, zu ändern, oder dass er es nicht draufhatte – er brauchte nur jemanden, der ihm sagte, was er tun sollte.
»So« , erklärte Curtis ihm immer wieder. » Duh-dah-dah, duh-dah-dah … kschh, kschh … spiel’s einfach so.«
Und Stan antwortete dann meistens: »Was soll das heißen ? Duh-dah-dah, duh-dah-dah … kschh, kschh … Kapier ich nicht.«
Aber dann mischte sich William ein. »Hier«, sagte er, nahm seine Gitarre ab und ging zu Stan rüber. »Ich zeig’s dir.« Und er setzte sich einfach an die Drums und zeigte Stan genau, was er spielen sollte und wie. Einfach so. Es war unglaublich. Er war sogar richtig gut. Ein echt guter Schlagzeuger. Nicht ganz so gut wie Stan, aber nicht weit davon entfernt.
Das war etwas, woran wir uns in den kommenden Monaten alle gewöhnten – Williams Fähigkeit, nicht nur fast jedes Instrument irgendwie spielen zu können, sondern es richtig gut zu beherrschen. Schließlich bauten wir alle möglichen Instrumente ein – Geige, Banjo, Akkordeon, Mundharmonika –, alle von William gespielt. Und das war noch etwas, das uns besonders machte und uns von den anderen Bands abhob: Wir
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