Live Fast, Play Dirty, Get Naked
war gut, die Auftritte wurden in der Musikpresse beworben, und was aus der Sicht von Jake und Curtis das Wichtigste war, es bestand immer die Chance, von Journalisten und Plattenproduzenten wahrgenommen zu werden.
Die Plattenfirmen fingen um diese Zeit gerade erst an, sich für Bands wie die Sex Pistols und Naked zu interessieren, aber es war noch nicht viel mehr als bloßes Interesse. Die Punkszene steckte noch in den Anfängen, und während sie in London viel von sich reden machte, dauerte es, bis sie auch überall sonst richtig loslegte. Und selbst in London lief das Ganze immer noch hauptsächlich über Mundpropaganda. Es gab ständig Gerüchte über die Entstehung verschiedener anderer Gruppen, doch im Frühjahr und Frühsommer 1976 waren die einzigen echten Punkbands, die regelmäßig auftraten, die Sex Pistols und Naked. The Clash und The Damned hatten erst im Juli des Jahres ihre Debüts und Subway Sect und Siouxsie and the Banshees spielten erst ab September live. Das heißt, auch wenn die Plattenfirmen Punk wahrnahmen, waren sie noch weit davon entfernt, sich einzukaufen.
Doch das hielt Curtis und Jake nicht davon ab, ihnen auf den Fersen zu bleiben. Für Curtis und Jake war ein Plattenvertrag das Höchste. Ohne Plattenvertrag war eine Band garnichts. Aber mit Plattenvertrag … das war’s einfach. Das war der Traum. Platten zu machen. Platten zu verkaufen. Stars zu werden. Für sie ging es nur darum, einen Plattenvertrag zu bekommen.
Und für uns andere …
Na ja, Stan war – wie immer – zufrieden mit allem, was kam. Wenn wir einen Vertrag kriegten, schön. Wenn nicht, na und? Berühmt sein bedeutete ihm nicht viel. Er spielte nur einfach gern Schlagzeug und es war eigentlich nicht wichtig, ob wir im Lagerhaus spielten oder vor hunderttausend Leuten.
Auch William schien völlig zufrieden mit dem, wie es war. Man spürte, dass er gern spielte, sich sehr für die Musik begeisterte, doch alles andere – das soziale Drumherum, die geschäftliche Seite, die Begeisterung für Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll – reizte ihn überhaupt nicht. Er hatte zwar nichts dagegen und ließ die anderen auch machen, aber im Grunde fand er die Rock-’n’-Roll-Welt, glaube ich, einfach ein bisschen albern. Interesse an einem Plattenvertrag zeigte er nur ein einziges Mal, und zwar als das Thema Geld aufkam, was ich damals merkwürdig fand, denn er schien sonst ziemlich unmaterialistisch zu sein. Doch es gab vieles an William, was ich zu der Zeit nicht wusste, vieles, was ich nicht verstand …
Aber es gab auch vieles, was ich über mich nicht wusste.
Wollte ich berühmt werden? Wollte ich ein Rock ’n’ Roll-Star sein? Wollte ich Platten machen, auf großen Bühnen spielen, wollte ich ständig fotografiert werden?
Ich wusste es nicht.
Wollte ich auf der Schule bleiben und später zur Uni gehen? Wollte ich Karriere machen? Wollte ich mich verlieben, heiraten, ein schönes Haus und Familie haben?
Ich wusste es nicht.
Wollte ich den Rest meines Lebens mit Curtis verbringen?
Ich wusste tatsächlich auf keine der Fragen eine Antwort. Und die meiste Zeit machte ich mir nicht mal die Mühe, darüber nachzudenken. Ich lebte jeden Tag so, wie er kam. Mit Curtis zusammen, mit der Band, bei den vielen Auftritten, die wir überall hatten …
Alles war in Ordnung.
Und seit Februar, als William in die Band kam, machte mir das Ganze sogar noch viel mehr Spaß. Es gab zwar immer noch vieles, was ich nicht mochte, vor allem die wachsende Atmosphäre der Gewalt bei den meisten Auftritten, die Curtis einerseits weiter anheizte, die ihn aber auch selber aufputschte. Und ich mochte auch die meisten Leute in der Szene nicht – die anderen Bands, die Mitläufer, die Mauschler, die Groupies, die Beutejäger, die Drogenabhängigen und Verrückten –, doch ich lernte immer mehr, sie zu meiden. Es wurde tatsächlich sehr viel einfacher, ihnen aus dem Weg zu gehen, seit William da war, denn er mochte sie genauso wenig. Und auch wenn er oft nach einem Auftritt oder einer Probe allein verschwand, sich aus dem Staub machte, ohne ein Wort zu sagen, schlichen wir uns doch manchmal zusammen fort, um ein bisschen Ruhe und Frieden zu haben. Ab und zu schlossen sich Stan und Chief an, aber meistens waren wir nur zu zweit. Und meistens redeten wir gar nicht groß über irgendwas. William rauchte eine Zigarette – wenn er es geschafft hatte, eine zu schnorren –, wir teilten uns ein, zwei Flaschen Bier und vielleicht redeten wir über das,
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