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Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
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zusammen, unterbrach sich selbst und nahm die Hand wie ein Schirm über die Augenbrauen. „…wart ‚ne Sekunde. Das ist jemand.“
     
    Lunding hatte bessere Augen als Cohen. Der junge Officer hätte eigentlich eine Brille tragen müssen, wenn seine Sehschwäche auch so gering war, daß sie nicht einmal in seinen Führerschein eingetragen worden war. Beim Schießen traf er ebenfalls die Scheiben mit einer beruhigenden Gleichmäßigkeit, daß er sich strikt weigerte, sich eine Brille oder Kontaktlinsen zu kaufen.
     
    Lunding hatte Augen wie ein Falke.
     
    Und Cohen war stolz, daß er es zuerst gesehen hatte. Wenn auch nur schemenhaft und kaum zu erkennen. Es war mehr eine Ahnung gewesen. Aber das zählte nachher nicht.
     
    Es zählte nur, daß er es gesehen hatte.
     
    „Scheiße, das ist wirklich jemand.“
     
    „Kannst du‘s genauer erkennen?“
     
    „Nein.“
     
    Lunding beugte sich nach unten in den Streifenwagen, öffnete das Handschuhfach und kramte ein Fernglas heraus. Keines von den billigem Scheiß, den man bei der New Yorker Polizei normalerweise benutzte.
     
    Die beiden schwarzen Röhren, die Lunding in den Händen hielt, waren hochwertige Qualität aus der Schweiz, importiert über einen der arabischen Läden irgendwo in SoHo, die solche Geräte über irgendwelchen grauen Kanäle direkt aus der Bay angeliefert bekamen, von Schiffen, die mit gefälschten Frachtpapieren fuhren und sich einen Dreck darum kümmerten, was sie in die USA brachten.
     
    „Es ist ein Verletzter“, sagte Lunding, nachdem er einen Augenblick durchs Fernglas geblickt hatte. Sein Mund war etwas geöffnet, eine Grimasse, als wollte er sich auf das Bild konzentrieren, das vor seinen Augen war, nun so nah, als würde er direkt an der zerstörten Schaufensterscheibe sein. „Ein Mann, ein Inder, würde ich sagen.“
     
    „Kannst du sehen, was…“
     
    „Der Kerl blutet wie ein Schwein. Mehr kann ich nicht erkennen. Verdammte Scheibe ist im Weg.“
     
    Er nahm das Fernglas wieder herunter. Rieb sich die Augen, als müßte er sich wieder an die normalgroße Wirklichkeit gewöhnen. „Der macht‘s nicht allzu lange, wenn ich ehrlich bin.“
     
    „Das heißt…“
     
    „Das heißt, wenn wir ihn nicht da raus holen. Und das ziemlich bald, oder wir können dem Mann nur noch ein paar Blumen fürs Grab kaufen. Und Scheiße, Cohen, dazu habe ich keine Lust.“
     
    „Wir müssen Kovacs fragen. Ist ein Risiko, so nah an das Harper‘s heranzugehen. Und das, nachdem Sawyer…“
     
    „Ich weiß…“, unterbrach ihn Lunding. „Hast du eine bessere Idee, Kleiner? Ich bin für jede Anregung dankbar. Aber der Kerl da drinnen wird sterben, wenn wir ihn nicht in ein Krankenhaus bringen. Und er liegt da, wo wir ihn mit ein bißchen Glück erreichen können.“
     
    „Wir machen‘s streng nach Vorschrift“, sagte Cohen dann.
     
    Lundings Blick machte das ganze noch schwerer. Das war nicht einmal Vorwurf in ihnen zu lesen, kein Ärger, keine Verachtung. Nur Mitleid. Und Erleichterung, daß er nicht selbst die Verantwortung übernehmen mußte.
     
    Cohen haßte ihn dafür, ein paar Sekunden lang, bevor er zu Kovacs herüberging, der sich mit der Reporterin unterhielt. Beide standen hinter der Motorhaube von Kovacs‘ Wagen.
     
    Kovacs hatte beide in den Hosentaschen seiner Jeans vergraben, zuckte manchmal mit den Schultern und warf regelmäßig immer wieder ein Blick zum Harper‘s.
     
    Da tat sich nichts.
     
    Dachte er wahrscheinlich.
     
    Cohen wußte es besser.
     
     
     
    04:33
      
    Alles war hinter einer blutroten Wand.
     
    Ich kann nichts mehr sehen , dachte David Rajinesh, und das erschreckte ihn. Bei jeder Bewegung zuckte er zusammen, ließ ein leises Wimmern aus seinem Mund. Aber er lebte noch.
     
    Warum kam denn niemand?
     
    Jemand da draußen mußte ihn doch sehen.
     
    Es war doch so nah.
     
    David hob die Hand, nicht mehr als ein blutiger Stumpf, aus dem drei Finger wie Stücke Fleisch herausragten, hob ihn gerade einmal genug an, daß er über dem Mauervorsprung von draußen zu sehen sein mußte.  Er war nur einen winzigen Augenblick lang in der Lage, soviel Kraft aufzubringen, dann schien sein Arm plötzlich Tonnen zu wiegen, und David ließ ihn einfach fallen. Er spürte nicht einmal mehr, wie die Finger auf den Boden aufschlugen. Es war wieder taub. Alles war taub. Blut sammelte sich erneut auf  seiner Stirn und perlte herunter, bevor es langsam in seine Augen tropfte.
     
    Er zwinkerte. Er

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