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Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
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einem Präzisionsgewehr auf einen Menschen anlegte, dabei ruhig auf das Kommando zum finalen Schuß wartete und mit einem einzigen Fingerdruck ein Menschenleben auslöschte. Und dann das Gewehr ruhig zusammenpackte, sich umzog und einen netten, geruhsamen Nachmittag mit ihrer Familie verbrachte.
     
    Er konnte es nicht.
     
    Aber jemand muß es tun.
     
    „Er will eine der Geiseln umbringen“, meinte ein anderer, der in dem Lager stand. Auch hier war ein Fernseher aufgebaut, der Ton so leise gestellt, daß der Ton nur in unmittelbarer Nähe des Monitors verstanden werden konnte. Alle Personen hier sprachen miteinander nur im Flüsterton.
     
    „Sind wir in Position?“ fragte Joe.
     
    „Ich denke, wir haben eine 30:70 Chance, ihn mit einem Schuß zu erledigen, Sir. Und zwar innerhalb der ersten zehn oder 15 Sekunden, nachdem wir den Laden gestürmt haben.“
     
    „Das heißt, wir verlieren mindestens eine der Geiseln.“
     
    Der SWAT-Mann (und diesmal war es ein Mann) nickte langsam.
     
    „Wenn wir Glück haben, Sir. Ich würde mit einer Ausfallquote von 50 Prozent rechnen, wenn wir reingehen.“
     
    „Scheiße.“ Das war Cohen.
     
    Joe nickte, klopfte dem SWAT-Mann auf die Schulter und ging weiter in das Lager hinein. Und dann hörte er Turow. Nicht auf dem Fernseher. Nicht durch das Rauschen einer Telefonleitung.
     
    Er hörte den schrillen Ton seines Geschreis, direkt auf der anderen Seite der halb zersplitterten Holztür, die in die Verkaufsräume des Harper‘s  führten.
     
    Der Schrei tat ihm beinahe körperlich weh. Denn er war real, nicht gefiltert durch elektronische Hilfsmittel, die aus der Stimme des Irren etwas Unwirkliches gemacht hatte. Er duckte sich, bedeutete Cohen mit einem Handzeichen, ihm zu folgen und drückte sich in eine Nische, die ihm gestattete, einen kleinen Blick durch den Türrahmen zu werfen.
     
    Joe sah nicht viel.
     
    Aber er sah Sawyer.
     
    Joe sah einen toten Sawyer, der wie ein gestrandeter Wal in einer Unmenge aus Dosen und zerfetzten Tüten lag, aus denen Cornflakes und Kartoffelchips wie Gischt über seinen Körper verteilt waren, die sich mit dem Blut des SWAT-Captains vollgesogen hatten.
     
    Turows Geschrei hatte aufgehört.
     
    Konzentration.
     
    Wann hatte er das letzte Mal ein Sturmgewehr in der Hand gehabt? Irgendwann auf der Polizeischule? Er hatte keins bei dem Einsatz an der Metro Station der 42ten Straße gehabt, daran erinnerte er sich.
     
    Lange her. Verdammt lange her.
     
    Konzentration. Er überprüfte das Gewehr. Nochmal und nochmal. Es hatte sich in den vergangenen Minuten nichts verändert. Es war geladen und einsatzbereit. Joe wünschte sich, er könnte dasselbe von sich sagen.
     
     
     
    05:43
     
    „Was?“, flüsterte Turow heiser. Er sah aus, als hätte er gar nicht verstanden,  was seine Ex-Frau auf dem Bildschirm gesagt hatte.
     
    Das Mikrofon entfiel ihm beinahe aus den plötzlich tauben Fingern und der Lauf der Waffe senkte sich, zeigte auf den Boden, während er einen Schritt zurücktaumelte.
     
    Vanessas Gesicht auf dem Bildschirm erschien ihm plötzlich riesig, aufgeblasen und so verzerrt, als hätte jemand einen Luftballon hinter das Glas gespannt und würde ihn jetzt aufblasen.
     
    „Das bist nicht du, Don!“ schrie sie, drei Kilometer und eine ganze Welt entfernt. „Das bist nicht du! Das ist nicht der Mann, den ich geheiratet habe! Das ist nicht der Mann, der Seans Vater war!“
     
    „Sag das nicht“, flüsterte Turow.
     
    „Was würdest du Sean sagen, Don?“ fragte seine Ex-Frau.
     
    „Du verstehst nicht, was…“
     
    „Was würde Sean sagen, wenn er noch am Leben wäre?“
     
    „Du verstehst das nicht, das…“
     
    „Es sind die Pillen, Don!“
     
    Es war beinahe dreidimensional, wie sich ihr Mund aus dem Fernseher herauszuheben schien, ein Eigenleben entwickelte, die Augen sich verdrehten und…
     
    …sie sprach, aber er hörte es nicht mehr….
     
    Er wollte das nicht hören. Er wollte das nicht hören.
     
    Sie schreit nicht , dachte sich Turow.
     
    Das hört sich nur so an. Ihre Lippenbewegungen auf dem Fernsehschirm waren hypnotisch und schienen ihn in das eigentlich Bild hineinziehen zu wollen. Vanessa hatte sich nicht aufgeregt, sie konnte gar nicht schreien, sie saß ganz ruhig neben dem Reporter auf ihrem Sofa, ihrem teuren  Sofa in einem kleinen Appartement, das sie sich so eingerichtet hatte, daß er schon kotzen mußte, wenn er nur das kleine Stück des Wohnzimmers sah, das

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