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Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
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von dem Kameras eingefangen wurde. Es hatte nichts von einem Zuhause,  nichts von einem Heim.
     
    Sie schreit nicht.
     
    Er war es, der schrie.
     
     
     
    05:45
     
    Charlie Foster hatte nichts von dem mitbekommen, was um ihn herum geschah. Er hörte Turows Geschrei, aber er kümmerte sich nicht darum. Er hörte das Keuchen von Julie Winters neben sich, aber er zwang sich, nicht darüber nachzudenken.
     
    Es war schwierig. So schwierig.
     
    Ich kann es nicht , dachte er mit einer Verzweiflung, die ihm die Tränen in die Augen trieb, hoffnungsloses Weinen, das er kaum noch unterdrücken konnte. Oh Gott, Madeline, ich schaffe es nicht, ich habe nicht die Kraft dazu, Gott vergib mir, aber ich kann es einfach nicht.
     
    Er hatte versucht, den Revolver zu öffnen.
     
    Die Kammern waren so schwer und seine Finger so glitschig, daß er immer wieder von dem Stahl abrutschte. Erster Versuch. Seine Hand glitt von dem Griff ab und er hatte Glück, daß die .38 Special nicht zu Boden fiel. Zweiter Versuch. Charlie biß die Zähne zusammen.
     
    Der Wasserfall in seinem Magen war versiegt.
     
    Das war nicht gut. Ganz und gar nicht gut.
     
    Charlie spürte nichts mehr von dem, was sich unterhalb seines Brustkorbes abspielte. Es war eine unangenehme Taubheit, die sich mit langsamen Kribbeln auch im Rest seines Körpers ausbreitete. Und die auch seine Finger erreicht hatte. Es war schwer, eine wie auch immer geartete Geschmeidigkeit in die steifen, holzartigen Glieder zu bekommen. Seine linke Hand war nicht mehr als eine Klaue, um den Revolver gekrümmt.
     
    Die rechte Hand rieb an dem Sicherheitsverschluß der Kammer.
     
    Und er wurde immer wieder bewußtlos.
     
    Nicht lang, vielleicht häufig nicht mehr als einen Augenblick, eine Sekunde, möglicherweise noch weniger.
     
    Dritter Versuch.
     
    Mit einem unhörbaren Schnappen sprang die Kammer des Revolvers auf. Es war Norms Waffe und dafür war Charlie in diesem Moment dankbar. Norm hatte sich immer besser um seine Waffe gekümmert als er das selbst getan hatte. Ein wenig von dem Waffenöl lief aus den Kammern heraus und vermischte sich mit seinem Blut. Einen Moment lang machte sich Charlie ernsthafte Sorgen, ob er nicht vielleicht eine Blutvergiftung bekommen konnte.
     
    „Madeline“, flüsterte er.
     
    Du kannst es, Charlie , meinte die Stimme, ihre Stimme in seinem Kopf und es tat ihm weh, sie zu hören, wie ein Echo, das durch seiner Erinnerung geisterte und ein gespenstisches Eigenleben zu führen schien. Du mußt es können. Denk an Julie und denk an den Jungen, Josh, laß ihn nicht sterben, laß ihn nicht auch noch sterben und denk an Gwen Nelson. Sie ist schwanger, Charlie, sie ist schwanger und ihr Kind sollte eine Chance haben…
     
    Charlies recht Hand bewegte sich. Zentimeter für Zentimeter. Den Zeigefinger so ausgestreckt, daß er das Uniformhemd ertasten konnte, selbst durch das Blut hindurch, den rauhen Drillichstoff, der so aussah wie normale Baumwolle, sich auf der Haut aber so anfühlte, als hätte man einen ganzen Stall voller Heu zwischen sich und dem Rest der Welt geschaufelt. Es piekte an den unmöglichsten Stellen, wenn man sich bewegte. Normalerweise zumindest.
     
    Diesmal spürte Charlie nichts.
     
    Nur die kleine Ausbuchtung in seiner Brusttasche. Sie war noch da. Gottseidank . Die Ausbuchtung war nur knapp so breit wie sein kleiner Finger, etwas länger als die vorderste Kuppe seines Zeigefingers.
     
    Es war schwer, seine Hand so weit zu bewegen, daß er in die Tasche packen konnte. Alles war steif. Und zwischen seinen Fingerspitzen entglitt das verdammte Ding immer wieder.
     
    Ruhig bleiben.
     
    Charlie hatte es endlich in seiner Hand, zog sie langsam wieder raus, mit einem schmerzverzerrten Gesicht, als ein flammender Stich von seinem Handgelenk aus die Schulter hochjagte.
     
    Und dann hatte er es geschafft.
     
    Er öffnete die Hand und sah in den geöffneten Handballen.
     
    In dem Blut, das die gesamte Haut wie ein Film bedeckte, lag etwas Bronzenes. Eine .38 Kugel. Seine Kugel. Die Kappe aus Blei war gefurcht, zwei Querstreifen, die sich durch den Mantel zogen.
     
    Charlie lächelte grimmig, umfaßte die Kugel wieder und lud sie mit einem kaum zu kontrollierenden Zittern in eine der leeren Kammern des Revolvers.
     
     
     
    05:47
     
     „Laß mich in Ruhe“, flüsterte Turow.
     
    Niemand im Supermarkt wußte, mit wem er sprach.
     
    Mit Vanessa? Mit sich selbst?
     
    „Hör auf“, knurrte er.
     
    Riß die Pistole

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