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Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
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Wassertropfen überzogen die Kühltheke. Dunkelbraune Rostflecken waren an einer Seite zu erkennen, dort, wo das Wasser mehr als Jahre Zeit gehabt hatte, um durch den Lack in das Metall einzudringen.
     
    Die Bäuche der Heringe glitzerten gräulich unter dem hellen Neonlicht.
     
    Sie sahen krank aus.
     
    Natürlich sehen sie krank aus, überlegte Gwen und spürte, wie ihr Magen revoltierte. Ein weiteres Stück ihres Hungers verschwand in dem Moment der Übelkeit. Sie sind tot.
     
    Und dann dachte sie an den elegant gekleideten Mann, mit seinem langen, breiten Mantel, der am Zeitungsstand stand und mit verkniffenem Gesicht auf die neuesten Nachrichten heruntersah.
     
    Er hatte genauso ausgehen.
     
    Krank.
     
     
     
    00:25
     
    Die Straßen lagen vor ihnen, als sie das 13te Revier verließen. Das Revier war auf der East 13th Street, zwischen der Fifth Avenue und der Avenue of the Americanas. Ziemlich am oberen Ende des Village – wenn man den alten Stadtplanern glauben wollte, dann war die 14te Straße mit ihren breiten, vierspurigen Fahrbahnen die Grenze von Greenwich Village, weiter nördlich begann Chelsea.
     
    In den Gedanken derjenigen, die im Village lebten, war allerdings alles nördlich dieser Grenze nur noch Midtown. Eine Bezeichnung, die nicht stimmte. Midtown begann erst an der 42ten Straße und endete am Central Park. Aber irgendwas endete  an der 14ten Straße, irgendwas, das einzigartig in der Stadt war, selbst wenn man es nicht mit Worten ausdrücken konnte.
     
    Das Village, so sehr es sich auch verändert haben mochte in den letzten 25 Jahren, war immer noch ein eigenständiges Stück Landschaft, das sich scheinbar einfach nur Manhattan verlaufen hatte.
     
    Norman Kelseys Heimat.
     
    Die kleine Wohnung, die er an der Grove Street hatte, war in einem beinahe abbruchreifen Gebäude, das von seinem Eigentümer schon vor langer Zeit, schon in den 50ern oder noch früher, aufgegeben worden war. Zumindest war seit dieser Zeit nichts mehr an der grundsätzlichen Struktur geändert worden. Die Rohre hatten immer noch denselben Standard der frühen 40er, als es gebaut worden war. In den frühen 80ern hatten sich die Mieter zusammengeschlossen, um das Gebäude zu kaufen. Der Kaufpreis war für New York Verhältnisse geradezu spotthaft billig gewesen; das lag daran, daß die Baubehörde dem Hausbesitzer die Verantwortung für den ganzen Block entzogen hatte und nun neue Besitzer für das bauliche Wrack suchte. Myra hatte ihn damals dazu überredet, seine Ersparnisse von der Bank abzuheben und sich am Kauf des Hauses zu beteiligen. Das Geld hatte ausgereicht, um die Wohnung zu bezahlen, die sie beide bewohnten. Nicht für wesentlich mehr – aber zum ersten Mal in seinem Leben hatte Norm Kelsey etwas besessen, daß ihm  gehörte.
     
    Eine Heimat.
     
    Nicole war 1984 geboren worden, in seinem Zuhause. Die Wehen waren zu plötzlich eingesetzt, es hatte keine Zeit mehr gegeben, zum Roosevelt oder Bellevue Hospital zu fahren. Zum Glück wohnte ein Arzt, Clifford Hathaway, nur drei Stockwerke über ihnen.
     
    Er war zwar kein Gynäkologe, aber er hatte das kleine Mädchen mit einem Lächeln zur Welt gebracht und sie gehalten, bis Myra sich kräftig genug fühlte, die Kleine in ihre Arme zu nehmen.
     
    „Vielleicht habe ich doch den Beruf verfehlt“, hatte er damals gesagt.
     
    Norm lächelte still. Es schien Ewigkeiten her zu sein, daß Nicole einmal so klein gewesen war, daß er sie auf den Arm gehalten hatte oder mit ihr auf dem Wohnzimmerteppich gespielt hatte, während Myra in der Küche das Abendessen zubereitete. Nun war er alt –  er wurde 55 in weniger als zwei Monaten – und Nicole war zu einer jungen, gutaussehenden Frau herangewachsen, die vor einem Jahr ausgezogen war, um mit mehreren Freunden zusammenzuwohnen, die sie an der NYU kennengelernt hatte.
     
    Norm war mächtig stolz auf sein Mädchen. Sie war jetzt auf der NYU Law School. Ihr Wunsch war, Staatsanwältin zu werden.
     
    Die Besessenheit mit Recht und Gesetz muß sie von ihrem Vater geerbt haben , hatte Myra gesagt, als ihre Tochter die Entscheidung bekanntgegeben hatte. Von mir hat sie‘s jedenfalls nicht.
     
    Natürlich nicht, war Norms belustigte Antwort gewesen, aus deinem Teil der Familie kamen ja auch die Diebe und Mörder, mein Schatz.
     
    Nicole war allerdings immer noch im Village, wohnte in der Bleeker Street, mit einem Comic Laden als direkten Nachbarn auf der einen und einem koreanischen Schnellimbiß auf

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