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Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
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telefonieren, beide Straßen weniger als zwei Kilometer voneinander entfernt.
     
    Es war eine andere Welt.
     
    Zwei Kilometer und eine andere Welt.
     
    „Caroline“, hatte er gesagt, „kannst du sie anrufen? Im George Washington, meine ich? Es ist wirklich wichtig. Ich muß….“
     
    …von zu Hause verschwinden…
     
    „…mit ihr sprechen.“
     
    Caroline hatte ihn gebeten, kurz zu warten und in einem Notizblock geblättert. Jedes einzelne Geräusch schien sich plötzlich zu einem Vielfachen aufzublähen; das langsame Atmen Carolines, das Umblättern jeder einzelnen Seite, das Rauschen in der Leitung. Josh hatte den Atem angehalten. Bitte, laß ihn nicht merken, daß ich telefoniere. Mit  wem ich telefoniere.
     
    Sein Vater war im Wohnzimmer.
     
    „Ruf sie am besten selbst an, Josh“, war dann Carolines Stimme vom Telefonhörer gekommen. „Hast du etwas zu schreiben?“
     
    Josh hatte. Er holte einen dünnen Filzstift aus seiner Hosentasche und kritzelte die Durchwahl zu Julie Winters‘ Krankenstation auf den zerknitterten Papierzettel, eine weitere Nummer im ohnehin schon unübersichtlichen Nummernsalat.
     
    „Es ist schlimmer geworden, nicht wahr?“
     
    Josh nickte. Obwohl Caroline ihn nicht sehen konnte, machte er diese unbewußte Bewegung. „Viel schlimmer“, stimmte er ihr zu. „Ich habe Angst.“
     
    Ohne eine Antwort abzuwarten, bedankte er sich bei ihr, legte auf, wählte die Nummer des George Washington und bat die Schwester am Telefon (ihren Namen hatte er nicht verstanden), Julie Winters ausrufen zu lassen.
     
    „Julie ist hier“, war die Antwort gekommen. „Warte einen Moment.“
     
    Gemurmel in der Leitung, dann eine neue Stimme.
     
    Eine bekannte, sanfte Stimme.
     
    Gottseidank.
     
    „Josh? Bist du das?“
     
    „Julie“, sagte er schnell. „Ich glaube, er wird mich umbringen, wenn ich hierbleibe. Und es ist ihm scheißegal, ob ich die Polizei anrufe oder nicht. Er…er hat wieder getrunken. Schlimmer als vorher….ich habe mich in mein Zimmer eingeschlossen.“
     
    Julies Stimme hatte einen harten Unterton angenommen, als sie sich wieder meldete. „Ist er noch wach?“ fragte sie ihn.
     
    „Der Fernseher läuft noch“, meinte Josh. „Ja, ich glaube, er ist noch wach.“
     
    „Was meinst du…wann wird er einschlafen?“
     
    Josh mußte nachdenken. Meistens, wenn der alte Mann zu Hause geblieben war, dann war er um elf, spätestens halb zwölf eingeschlafen.
     
    „Vielleicht halb zwölf oder Mitternacht.“
     
    Julie unterhielt sich mit jemandem am anderen Ende der Leitung, bevor sie sich wieder ihm zuwandte. „Sagen wir Mitternacht. Kennst du den Harper‘s Supermarkt?“
     
    „Ja.“
     
    „Gut“, kam als Antwort. „Sobald er eingeschlafen ist, dann schleiche dich aus der Wohnung und geh dahin. Warte dort auf mich. Ich habe noch bis um zwölf Uhr Schicht im Krankenhaus.“
     
    Josh versuchte, mit schwacher Stimme zu protestieren. Mitternacht schien noch eine Ewigkeit entfernt zu sein.
     
    „Ich werde hier früher Schluß machen. Ich kann dir aber noch nicht genau sagen, wann ich kommen werde. Ich werde mich beeilen. Geh auf keinen Fall zurück in die Wohnung, Josh.“
     
    Josh hatte genickt.
     
    „Ich werde im Harper‘s warten.“ Gedanklich fügte er noch hinzu: Und wenn es die ganze Nacht dauern sollte.
     
    Josh hatte Glück. Der alte Herr war um kurz nach elf Uhr eingeschlafen. In die verschiedenen Geräuschkulissen der Late Night Fernsehserien - Gelächter, Witze über die Boni der Banker, mehr Gelächter, dann rüber zum Krieg, es war immer Krieg, irgendwo – hatte sich kratzendes Schnarchen gemischt. Er hatte die Tür zu seinem Zimmer geöffnet, den Rucksack geschultert, in dem er sich einige seiner Sachen eingesteckt hatte, und war zur Wohnungstür geschlichen.
     
    Der alte Mann wachte nicht auf.
     
    Josh schloß die Wohnungstür hinter sich und humpelte die Treppen herunter, so schnell es die Schrauben und Stahlstifte in seinem Oberschenkel zuließen.
     
    Er sah nicht zurück.
     
     
     
    01:18
     
    Josh blinzelte. Gott, wenn er das gewußt hätte. Er hätte gleich bei seinem alten Herrn bleiben können. Er hatte Angst. Mehr als er jemals in seinem Leben gehabt hatte. Mehr noch als vor seinem Vater. Die Schrauben in seinem Bein juckten, ein quälendes Gefühl, denn Josh wußte, daß alles Kratzen in der Welt nicht helfen würde, den Juckreiz zu unterdrücken.
     
    Josh blinzelte erneut und schaute herüber zu Julie. Die

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