Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Live

Live

Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
Vom Netzwerk:
Krankenschwester stand halb verborgen in dem ersten Gang des Supermarktes. Sie war großgewachsen, mit mausbraunen Haare und einem breiten, sanften Gesicht, das zum Lachen geschaffen worden zu sein schien. Auch der Oberkörper war breit, ohne aber fett oder auch nur untersetzt zu wirken. Die ältere Frau sah aus, als hätte ein guter Bildhauer angefangen, aus einem kompakten Marmorstein eine Frau zu formen, bevor man ihn mitten in der Arbeit unterbrochen hatte, so daß die Formen zwar die mögliche Schönheit verrieten, sie allerdings niemals zeigen konnten.
     
    In ihrem Gesicht stand keine Angst.
     
    Auf ihrer einfachen, weißen Bluse waren Blutflecke. Nicht ihre eigenen. Sie hatte geholfen, die beiden Leichen nach hinten in die Kühltruhen zu tragen, zusammen mit dem ungeschlacht wirkenden, dickbäuchigen Mann, der dem Tresen am nächsten stand.
     
    Turow hatte ihn doch ebenfalls nach seinem Namen gefragt. Josh rieb sich die Stirn. Der Name war…Mike Garrett. Oder ‚Big Mike‘, wie die erste Antwort des dicken Mannes gewesen war, bevor Turow – wie vorher bei Josh – ihm die Mündung seiner Pistole unter die Nase gehalten hatte. Wenn Julie auch in ihrer Masse kompakt wirkte, so war das Gewicht bei ‚Big Mike‘ an den unmöglichsten Stellen verteilt.
     
    Der Bauch quoll aus der viel zu engen Jeans hervor und spannte ein dreckiges Unterhem bis zum Zerreißen.
     
    Das Gesicht war fleischig und mit kleinen, in Speckwülsten versunkenen Augen und einem ungepflegten Bart, der an einigen Stellen noch die Überreste vergangener Mahlzeiten zwischen den borstigen Haaren hatte.
     
    ‚Big Mike‘ sah aus wie ein früherer Hell‘s Angel, der seine Harley für einen SUV eingetauscht hatte, als er einsehen mußte, daß er nicht ewig an seiner Jugend festhalten konnte.
     
    Aber als er mit Julie die Leiche von Franklin und der älteren Kundin nach hinten geschleppt hatte, da war kein einziger Tropfen Schweiß auf seiner Stirn gewesen und unter dem Speck spannten sich Muskeln an, die vielleicht eingerostet, aber niemals verschwunden waren.
     
    Jetzt schaute Big Mike herüber zu Turow, mit einem finsteren Blick in den kleinen Augen, der allerdings von Turow nicht bemerkt zu werden schien. Unter dem Speck arbeiteten die Muskeln.
     
    Wenn der verrückte Banker keine Automatik hätte, dann würde dieser Ex-Rocker ihn schnell in kleine, handliche Stücke zerlegen, die dann in Plastik eingepackt ebenfalls in einer der Kühltruhen als Sonderangebot der Woche  liegen würden.
     
    Big Mike wandte sich von Turow ab und biß sich auf die Lippen. Josh schaute wieder Julie an. Sie betrachtete Turow mit beinahe klinischer Gelassenheit, ganz so, als versuchte sie, aus den wenigen Informationen, die sie über den Mann hatte, ein psychologisches Profil oder eine Diagnose zu erstellen.
     
    Sie beobachtete das Zittern in Turows Hand, seine häufigen Gemütsschwankungen und das unkontrollierte Zucken, das sich in der Wange des Mannes festgesetzt hatte und die rechte Gesichtshälfte in unregelmäßigen Abständen zu einer Fratze verzerrte.
     
    Josh machte die paar Schritte herüber zu Julie.
     
    „Tut mir leid“, flüsterte er. Sie schüttelte den Kopf, so als hätte sie nicht den blassesten Schimmer, worüber der Junge vor ihr eigentlich redete. Dann packte sie ihn mit ihren beiden, groß wirkenden Pranken an den Schultern und schüttelte ihn leicht durch.
     
    Ihre Augen hatten das sanfte, helle Braun ihrer Haare.
     
    „Hör auf damit“, sagte sie ihm. „Du bist nicht schuld. Du bist nicht für deinen Vater verantwortlich gewesen. Du bist nicht für dieses Arschloch hier verantwortlich. Oder willst du vielleicht für jeden in New York die Verantwortung übernehmen? Dann hast du eine Lebensaufgabe, Josh.“
     
    Josh spürte, wie seine Augen feucht wurden. Er wollte nicht weinen, aber er wußte es doch, er war  verantwortlich, vielleicht nicht für seinen Vater, aber doch mit Sicherheit….
     
    „Sie wären nicht hier, wenn ich nicht angerufen hätte.“
     
    „Oder man hätte mich vielleicht im Krankenhaus angefallen, ein Junkie, der glaubte, er könnte von mir den Schlüssel zu unserem Drogenschrank bekommen. Oder jemand wäre in meine Wohnung eingebrochen….verstehst du, was ich sage?“
     
    Josh schüttelte den Kopf.
     
    „Du kannst Jahre in New York…in Manhattan…leben, ohne daß dir etwas passiert. Meine Nachbarin wohnt seit 1977 im selben Haus und ihr ist noch nie etwas passiert. Sie ist noch nicht einmal

Weitere Kostenlose Bücher