Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Live

Live

Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
Vom Netzwerk:
sich, öffnete sich wieder.
     
    „Was?“ prustete es dann schließlich aus ihm heraus.
     
    „Ich werde nicht kommen“, war Joshs Antwort gewesen. „Du wirst mich…“
     
    …töten…
     
    „…verprügeln, wenn wir nach Hause kommen. Und das werde ich nicht mehr zulassen.“ Josh hatte sich selbst gewundert, warum seine Stimme so hart, so fest klang. „Wenn du mich auch nur ein einziges Mal anfaßt, dann werde ich die Polizei rufen. Ich werde dafür sorgen, daß du in ein Staatsgefängnis gesteckt wirst. Da kannst du dann prügeln, soviel du willst. Mit wem du willst und wann du willst.“
     
    „Was?“
     
    „Ich werde es tun, Dad. Ich liebe dich, aber ich werde mich deshalb nicht umbringen lassen. Das habe ich begriffen. Eine falsche Bewegung und ich lasse deinen Arsch ins Gefängnis verfrachten.“
     
    Und Josh hatte ihm den Zettel gezeigt, den er von der Nachtschwester bekommen hatte. Das weiße Papier war wie ein magisches Symbol, ein Amulett, das Josh wie ein Schild vor sich trug.
     
    „Es sind Telefonnummern, Dad. Ich werde jede einzelne von ihnen anrufen, wenn du mich noch einmal verprügeln solltest. Jede einzelne.“
     
    Auf dem Zettel hatten mehr als zwanzig verschiedene Telefonnummern gestanden. Privatnummern des Krankenhauspersonals, offizielle Nummern von Hilfsorganisationen für mißhandelte Kinder, die Nummer des Jugendamtes, die Nummer des Sozialamtes und noch viele mehr. So viele mehr.
     
    Der alte Mann hatte auf den Zettel gestarrt, als wäre es schon ein Haftbefehl, hatte dann die Augen zugekniffen und geknurrt.
     
    „Und ich will nicht, daß du trinkst, Dad. Du veränderst dich, wenn du trinkst. und ich habe Angst vor dir.“
     
    „Warum bringste deinen alten Herrn nich’ direkt in den Knast? Warum haste nich’ schon eine der Telefonnummern angerufen?“
     
    „Weil ich nicht will“, war Joshuas Antwort gewesen. Weil ich außer dir niemanden mehr habe. Weil ich dich nicht verlieren will, wie ich Mama verloren habe. Bitte, Dad, es ist ein Geschäft. Es ist das einzige Geschäft, das ich dir vorschlagen kann. Waffenstillstand. Nicht mehr. Vielleicht kein Frieden, aber Ruhe für mich. Mehr will ich nicht.
     
    Und der alte Mann hatte ihn in Ruhe gelassen.
     
    Im Rest des Dezember war er kaum im Hause gewesen, wahrscheinlich irgendwo draußen in Carl‘s Bar oder Billy‘s oder im Libro‘s . Aber wenn er sich dort betrank, dann kam er erst gar nicht zurück in das kleine Appartement, das er sich mit seinem Sohn teilte, sondern hatte genügend Verstand, sich bei einem seiner Arbeitskollegen oder einem Saufkumpanen, den er sich in der Bar aufgetrieben hatte, für diese Nacht einzuquartieren.
     
    Joshua war vorsichtig geblieben.
     
    Der Zettel mit den Telefonnummern hatte immer unter seinem Kopfkissen gelegen, das Telefon immer in Griffweite. Er hatte einen sehr leichten Schlaf. Bei jedem Geräusch war er zusammengezuckt, mit einem undeutlichen
     
    …er ist da…
     
    Gedanken, der ihn aufschrecken ließ und dann den Rest der Nacht um den Schlaf brachte. Aber auch der Januar war vergangen, ohne daß es ein einziges Mal eine Auseinandersetzung gegeben hatte.
     
    Joshua war zu den wöchentlichen Checks gegangen, bei denen die Schrauben in seinem Oberschenkel verstellt wurden, um das Knochenwachstum zu fördern und die gesplitterten Bruchstücke wieder so zusammenzusetzen, daß er ohne Probleme laufen konnte.
     
    Er hatte die Nachtschwester dabei mehrmals gesehen, hatte diesmal sogar mit ihr gesprochen und herausgefunden, daß ihr Name Julie war. Julie Winters. Sie war 37 und hatte selbst ein Kind, eine 17jährige Tochter mit dem Namen Caroline. Julie hatte am Anfang noch mit sichtbarer Besorgnis jedes einzelne Körperteil Joshs angeschaut, während der Arzt ihn untersuchte und dann mit einem kleinen Gerät die Spezialschrauben aus Stahl anzog, so stark, daß Josh bei jedem Besuch Tränen in den Augen hatte und sich nur mit Mühe einen Schrei verkneifen konnte. Es waren nicht einmal die Schmerzen, die wirklich schlimm waren. Es waren die Geräusche. Das Knirschen seines Oberschenkelknochens, das damit verbundene Kreischen seiner Gelenke, die bei jeder Untersuchung in Richtungen gezerrt zu werden schienen, in denen sie eigentlich gar nichts zu suchen hatten.
     
    Aber der alte Mann hatte ihn in Ruhe gelassen.
     
    Der Februar war vergangen, dann der März.
     
    Im April hatte Josh geglaubt, daß ein Wunder geschehen sein mußte. Der New Yorker Frühling war langsam

Weitere Kostenlose Bücher