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Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
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zurückgekehrt, sein Bein hatte furchtbar gejuckt, als es die Veränderung im Wetter bemerkt hatte, aber er war glücklich gewesen.
     
    Manchmal konnte er sogar wieder mit seinem Vater sprechen. Meistens über die alten Zeiten, manchmal sogar über Mama, wenn auch diese Gespräche sehr kurz und häufig mit abfälligen Äußerungen des alten Mannes verbunden waren. Josh hatte das Gefühl gehabt, sie könnten es schaffen. Er hatte seinen Vater seit Dezember nicht mehr betrunken erlebt. Er hatte das Gefühl, sie könnten vielleicht doch wieder eine Familie werden.
     
    Josh hatte mit Julie darüber gesprochen.
     
    Die Krankenschwester hatte ihn zweifelnd angesehen, dann  aber genickt und gesagt: „Manchmal geschehen Wunder, Josh. Das will ich nicht bestreiten. Gott ist ein ziemliches Stück Scheiße, wenn du mir glauben willst und ich war schon seit Jahren nicht mehr in der Kirche, aber manchmal kümmert er sich doch um die Menschen, die er erschaffen hat. Nicht häufig, aber manchmal. Manchmal geschehen Wunder. Aber ich würde nicht mein Leben darauf verwetten.“
     
    Joshua hatte damals nicht verstanden, was die ältere Frau gemeint hatte.
     
    Im Mai dann hatte er es verstanden.
     
    Sein Vater war betrunken nach Hause gekommen.
     
    Josh hatte nicht gewußt, welchen Grund es für das Besäufnis gegeben hatte (Nicht daß sein Vater früher einen Grund dafür haben mußte, um sich mit Gin und Scotch zuzukippen), aber er wußte, daß der Frühling vorbei war. Daß die Hoffnung vorbei war. Die Träume. Er war aufgestanden, sehr leise, sehr vorsichtig, zu der Tür seines Zimmers und hatte sie geschlossen, den Schlüssel umgedreht, mit trockener Kehle, während sein Vater in der Küche gewesen war.
     
    Als er den Schlüssel umgedreht hatte und die Holztür zu war, da hatte sich Josh auf den Boden des Zimmers gesetzt und hemmungslos geweint.
     
    Aber er hatte Julie noch nicht angerufen.
     
    Mit derselben verbissenen, unrealistischen Hoffnung, mit der im Alter von sechs Jahren einen Modellbausatz einer F 15 zusammengesetzt hatte, obwohl dieser Revellbausatz erst für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren hergestellt worden war, hatte Josh sich selbst gut zugeredet, während er seinem alten Herrn zuhörte: Es war nur eine Ausnahme. Es ist etwas schlimmes auf der Arbeit passiert. Etwas sehr schlimmes. Er wird es nicht wieder tun. Er hat zuviel Angst davor, daß ich ihn ins Gefängnis bringe.
     
    Aber sein Vater war im Juni achtmal völlig betrunken nach Hause gekommen, jedesmal mit dem unberechenbaren Temperament, daß Josh so sehr zu fürchten gelernt hatte, ein menschlicher Wirbelsturm, der sich aus einem blauen, vollkommen ruhigen Himmel innerhalb von Minuten, vielleicht sogar Sekunden entwickeln konnte, um ihn hochzureißen, ihm Quetschungen und Blutergüsse beizubringen und ihm seine Knochen zu brechen.
     
    Im August und frühen September hatte es dann kaum einen Tag gegeben, an dem sich Josh abends aus seinem Zimmer gewagt hatte. Und kaum einen Tag, an dem der alte Mann nüchtern gewesen war. Und Ende letzter Woche hatte er dann mit seinen Fäusten gegen die geschlossene Kinderzimmertür gehämmert.
     
    „Willste nich‘ rauskommen?“ war die dunkel, trockene Stimme ertönt. „Willste deinen Vater nich‘ begrüßen, du verdammter Scheißkerl? Wußte, daß du keinen Respekt vor mir hast. Wußte auch, daß mich nich’ an die Bullen lieferst. Zuviel Angst vor mir, nich‘ wahr, Sohn? Ich werd‘ dich kriegen, eines Tages….“
     
    Die Schritte hatten sich von der Tür entfernt.
     
    „Eines Tages…“ war ein sehr weit entfernt klingendes Murmeln nachgehallt.
     
    Josh hatte die ganze Nacht wachgelegen, direkt hinter dem dünnen Schutzwall aus Holz, das ihm die Tür bieten konnte. Er hatte den Zettel in der Hand gehalten und mit beinahe hypnotischen Blick auf die einzelnen Nummern gestarrt. Das Jugendamt. Das Sozialamt…würden ihm nicht helfen.
     
    Eines Tages…
     
    Julie. Julie würde wissen, was zu tun war.
     
    Josh hatte sie heute abend angerufen, noch bevor sein Vater nach Hause gekommen war, in ihrem kleinen Drei-Zimmer-Appartement, daß sie mit ihrer Tochter teilte. Caroline war am Apparat gewesen.
     
    „Mama ist noch nicht vom Krankenhaus zurück“, hatte das Mädchen gesagt. In der Leitung war ein kurzes Aufflackern von elektrischem Rauschen gewesen und hatte einen Teil ihrer Worte verschluckt. Es hörte sich nicht so an, als würde Josh von der Mercer Street zur Ferry Street

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