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Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
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gekommen. Bei ihrem ersten Treffen hatte er, Schande über ihn, nicht einmal wirklich auf die Mappe geachtet, die wie ein großer, toter Vogel bei ihm auf dem Schreibtisch gelegen hatte und mit ihren Bildern gefüllt war.
     
    Er hatte immer wieder aufgesehen, immer dann, wenn er glaubte, daß sie ihn gerade nicht beobachtete. Gwen hatte schon damals ein mehr als selbstbewußtes Auftreten gehabt. Teils, weil sie genau wußte, wie gut sie in ihrem Beruf war, teils, weil sie die Tochter von reichen Eltern war, und das war immer mit einem gewissen Teil Arroganz verbunden.
     
    Ihre Hände waren an den Seiten ihrer Hüfte, während sie ihren Blick durch sein Büro schweifen ließ, mit einem Gesichtsausdruck, der ein wenig Langeweile verriet. Sie hatte damals ein einfachen, schwarzen Blazer getragen, eine Jeans, die ihre Beine noch mehr betonte und wie eine zweite, blaue Haut an ihren Oberschenkel anlag, ein simpler, breiter Gürtel aus schwarzem Leder und eine rüschenbesetzte, weiße Bluse.
     
    Ihr Gesicht war schmal gewesen, mit hohen Wangenknochen, die ihr ein beinahe elfenhaftes, zerbrechliches Aussehen verliehen. Auf der Nasenspitze war eine Nickelbrille gewesen, mit dünnen Gläsern, die (wie er später herausfand) kaum stärker als Fensterglas waren und ihr nur einen Hauch von Intellektualität verleihen sollte, wenn sie bei einem Vorstellungsgespräch war.
     
    Ansonsten trug sie weiche Kontaktlinsen, um ihre kleine Sehschwäche auszugleichen.
     
    Gwen hatte einen schlanken Körper, beinahe knabenhaft, ein Eindruck, der durch ihre streichholzkurze, schwarze Haare noch unterstrichen wurde, die ihr Gesicht fransenartig einrahmten. Sie trug kaum Make-up.
     
    Und damals hatte Ben sich gefragt, wie es wohl wäre, mit dieser Frau zu schlafen. Es war ein rein impulsiver Gedanke gewesen, dessen er sich sofort geschämt hatte. Er hatte so etwas noch nie gedacht. Jedenfalls nicht währen der ersten fünf Minuten. Hatte er damals schon daran gedacht, sie zu heiraten?
     
    Natürlich nicht. Er war 32 Jahre alt gewesen und Gwen mehr als zehn Jahre jünger als er. Er hatte sich gefühlt, als wäre er ihr Vater gewesen. Gut, vielleicht nicht ihr Vater – aber ihr älterer Bruder. Eine Ehe mit einem solchen Altersunterschied wäre einfach nicht vorstellbar. Das würde nie gut gehen. Aber er wollte mit ihr schlafen. Mehr als alles andere wollte er mit ihr schlafen.
     
    Und jetzt, zwei Jahre später, lag er in ihrem Bett, hatte Schweißperlen auf seiner Stirn und das Gefühl, als hätte er beim Abendessen zuviel getrunken, und eine nicht unangenehme Leichtigkeit war in seinem Verstand eingedrungen, der ihm das Denken erschwerte, während er sich aus dem Bett herausschwang, mit den nackten Füßen auf die Holzdielen des Appartement auftraf und darauf wartete, daß sein Magen sich meldete, so wie er es immer tat, wenn er zuviel getrunken hatte.
     
    Die Hochzeit war im nächsten Monat. Die meisten von Bens Nachmittagen waren damit ausgefüllt, Vorbereitungen für die Feier zu treffen, die – Gwen hatte darum gebeten – in Wanton Creek stattfinden würde, bei ihren Eltern.
     
    Als er seinen Job verloren hatte war es einen Moment lang schlimm gewesen. Den Verkaufspreis für seine Wohnung hatte zum größten Teil die Rückzahlung der Hypothek verschlungen, der Rest hatte er in seine Ausrüstung gesteckt, die nun einen kleinen Teil von Gwens Loft in Anspruch nahm: ein voll aufgerüsteter Mac mit drei LCD-Bildschirmen, die in einem Halbkreis auf einem kleinen Schreibtisch in der Ecke des Wohnbereichs angeordnet waren, zwischen ihnen eine Tastatur und ein Grafiktablet. Das vergangene Jahr hatte sich Ben mehr schlecht als recht mit freien Aufträgen über Wasser gehalten. Ein Website-Design hier, eine digitale Nachbearbeitung von schlechten Paparazzi Photos dort. Dazwischen immer wieder Klinkenputzen in einer Stadt, in der es hunderte wie ihn gab, und in der jeder einzelne von ihnen sich gegenseitig im Preis unterbot. Eine wöchentliche Erniedrigung, bei der nur eines sicher war, und zwar daß derselbe Job in der nächsten Woche weniger wert war als noch in dieser.
     
    „Wir müssen das nicht tun“, hatte er Gwen zu Weihnachten angeboten, ein zögerlicher Versuch, sie von ihrer Verpflichtung zu entbinden.
     
    „Was nicht tun?“ hatte Gwen gefragt, während sie beide in einer der unzähligen Zimmer im Haus ihrer Eltern gestanden hatten, so weit wie möglich entfernt von ihrem Vater, der Ben niemals gemocht, höchstens

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