Liverpool Street
sein wie ein böser Traum.
Amanda tobte. Im strömenden Regen hackte sie auf ihre Gemüsebeete ein, so wild und außer sich, dass der Spaten immer wieder aus ihrer Hand rutschte; sie trat und riss die Hühnerzäune nieder. Tropfnass schlotterte ihr das Nachthemd um die Beine, ihre Stimme überschlug sich.
»… und nicht dass du glaubst, es täte mir leid! Du kannst mich strafen, so viel du willst, aber ich bereue nichts! So groß bist du auch wieder nicht! Nicht eine Sekunde Liebe und Sorge wird durch irgendetwas zerstört, was du mir antun kannst!«
»Amanda … tu das nicht«, murmelte Matthew beschwörend.
Ich rannte die Treppe hinunter, hinaus in den Regen, der mir kalt entgegenschlug. Meine bloßen Füße versanken im klumpigen Lehm unserer Gemüsebeete, ich fühlte Knollen und herausgerissenes Grünzeug.
»Gesetze! Fünfundzwanzig Jahre befolgt, ein einziges Mal gebrochen!« Amanda fiel vornüber auf die Knie und riss die Pfosten der Hühnerzäune aus der Erde. »Einmal, verdammt! Und ich war das, nicht er! Aber es war gut, und weißt du was? Ich bin froh, dass ich es getan habe! Nichts, was du tust … geh weg, Frances …! Nichts, was du tust, kann das ändern. Ich bereue es nicht!«
Ich rappelte mich auf, nachdem sie mich mit unerwarteter Kraft geschubst hatte, blieb im Hühnerdraht hängen und landete neuerlich im Dreck. Der Lehm war glitschig wie Seifenlauge und im Handumdrehen sah ich nicht minder nass und schmutzig aus als Amanda, die dazu übergegangen war, die dünnen Holzpfosten durchzubrechen. Mein erster Impuls war gewesen, ihr in den Arm zu fallen, aber irgendetwas verriet mir, dass das, was sie tat, durchaus Sinn machte und ich sie besser in Ruhe ließ. Als sie sich nach dem Spaten umsah, reichte ich ihn ihr an.
Aus der Küchentür stolperte Matthew in Mantel und Stiefeln, spannte einen Regenschirm auf und watete hilflos durch den Matsch, um den Schirm über seine völlig durchnässte Frau zu halten. »Hau ab, Matthew«, sagte sie und stieß den Spaten tief in die Erde.
Und dann, ganz plötzlich, war es vorbei und Amanda begann laut zu weinen. »Oh Gott, es ist wahr, es ist wahr!«, stöhnte sie. Matthew legte den Arm um sie und führte sie ins Haus.
Ich blieb und sah mich um. Die Beete, die Zäune, das Gemüse … die Zerstörung war komplett. Das Licht aus der Küche fiel auf ein glänzendes, schlammbedecktes Schlachtfeld, während der Regen ungerührt rauschte, als wolle er uns zu verstehen geben, dass er in dieser Nacht schon weit Schlimmeres zu sehen bekommen hatte. Ich legte den Kopf in den Nacken und spürte, wie es mir kalt ins Gesicht prasselte, bis meine Wangen ganz taub wurden.
»Frances?« Es war Matthew, und der Gute hielt nun auch über mich einen Schirm!
»Weißt du noch, unser Garten?«, fragte ich. »Was du mir über die Schöpfung erzählt hast? Alles ist einfach da, doch was daraus entsteht, liegt in der Hand des Menschen.«
»Komm ins Haus, ihr werdet euch noch beide eine Erkältung holen.«
»Es ist nicht Gott. Die Zerstörung … das mit Gary. Es ist der Mensch ganz allein, er hat die Möglichkeit dazu. Ich weiß auch nicht, warum Gott das nicht anders eingerichtet hat, aber so ist es nun mal. Vielleicht setzt er einfach zu viel Hoffnung in uns.«
Wir stapften durch den Schlamm zurück zum Haus. »Wo ist sie?«, fragte ich.
»Lässt sich ein Bad ein. Bist du in Ordnung?«
»Ja, vollkommen in Ordnung. Geh wieder zu ihr! Wir sehen uns dann morgen Früh. – Matthew?«, sagte ich in seinen Rücken, als er schon auf dem Weg nach oben war. »Ich glaube nicht eine Sekunde, dass Gott jemanden wie euch strafen würde. Wenn ich das für möglich hielte, würde ich auf der Stelle aufhören, an ihn zu glauben.«
Matthew blieb stehen und es dauerte einen Augenblick, bis er sich umwandte. Dann aber erhellte ein beinahe frohes Lächeln sein Gesicht. »Ich glaube das auch nicht«, erwiderte er. »Wenn er uns strafen wollte … hätte er uns dann dich geschickt?«
Der Regen wollte gar nicht mehr aufhören. Ich wusste nicht, ob der Garten bei diesem Wetter überhaupt zu retten war, aber da es das Einzige war, das mir zu tun einfiel, machte ich mich nach dem Frühstück einfach an die Arbeit. Ich rollte den Hühnerdraht auf, sammelte die Reste der Pfosten und die herumliegenden, noch unreifen Kartoffeln ein und warf diese in Eimer, um sie später wieder einzugraben. Ich ließ die Hühner aus dem Schuppen, zupfte zerstörte Pflänzchen und als Hazel am Zaun
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