Liverpool Street
auftauchte, flickte ich gerade mit Zwirn und Draht die Bohnensträucher. »Na, da konnte ich ja lange klingeln«, meinte sie. »Bist du allein?«
Es war das erste Mal seit meiner Nacht bei den Vathareerpurs, dass wir uns sahen. »Nicht ganz«, erwiderte ich. »Matthew ist wieder arbeiten, Amanda liegt im Bett. Ich habe ihr Frühstück gebracht, aber sie sagt, ich solle sie allein lassen.« Meine Stimme zitterte, ich wies auf unsere Beete. »Das war sie, letzte Nacht. Zuerst war ich sogar froh, ich dachte, danach wird’s ihr besser gehen. Aber da habe ich mich wohl geirrt.«
»Habt ihr noch ein Paar Stiefel? Ich helfe dir!« Hazel griff über das Gartentor nach der Klinke und ließ sich hinein. Ich hörte sie im Schuppen kramen; sie trug Amandas Stiefel und Regencape, als sie wieder ins Freie kam. »Sieh nicht hin, aber sie steht am Fenster«, sagte Hazel.
Ich schluckte Tränen und arbeitete mit doppelter Energie weiter. Ich hoffte, Amanda erkannte von oben, was das bedeutete: Sie konnte mich hinauswerfen – aus ihrem Zimmer, ihrem Leben –, aber ich war immer noch da, wartete ab und machte mich nützlich.
»Meine Mutter meint, es ist noch nicht zu spät«, bemerkte Hazel. »Wenn sie sich beeilen, können sie noch ein Kind bekommen.«
»Aber keinen Gary.« Ich warf einen verstohlenen Blick zum Schlafzimmerfenster. Amanda, wenn sie wirklich dort gestanden hatte, war verschwunden.
Wir arbeiteten bis zum Mittag und das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Zwei Drittel unseres Gartens waren sauber geharkt, das überlebende Gemüse gesichert, der Rest auf dem Kompost. Der Hühnerdraht war nur provisorisch festgesteckt, da wir nicht mehr genügend Holzstäbe besaßen, aber die Umzäunung reichte aus, um die Bewegungsfreude von Victory, Winston und Queenie zumindest vorübergehend in Schach zu halten. Wir stellten die Stiefel vor der Küchentür ab und gingen hinein, um uns ein Sandwich zu machen.
»Ihr kommt gerade recht«, sagte Amanda und zog einen Pie aus dem Backofen. Sie war vollständig angezogen, blass, aber aufrecht – so unversehrt, dass ich mich vor Erleichterung nicht rühren konnte.
Mit beneidenswerter Selbstverständlichkeit durchquerte Hazel statt meiner die Küche, schlang die Arme um Amandas Taille und drückte sich voll Zuneigung an sie. »Es tut mir so leid, Mrs Shepard«, summte sie.
Amanda lächelte. »Das ist sehr nett von dir, Hazel«, sagte sie und strich meiner Freundin übers Haar. »Kannst du zum Mittagessen bleiben oder wartet deine Mutter auf dich?«
»Meine Mutter wartet auf mich«, antwortete Hazel zu meiner Überraschung, obwohl sie mir eben noch das genaue Gegenteil erklärt hatte. »Wir sehen uns morgen, Frances!«
Wir sahen sie in Stiefeln über die Steinplatten zum Schuppen hüpfen, wo sie ihre Sachen abgestellt hatte. Mir war klar, dass sie sich nur aus dem Staub machte, damit Amanda und ich allein sein konnten, und meine Pflegemutter schien Ähnliches zu vermuten, denn wir warfen einander denselben abtastenden, etwas verlegenen Blick zu. Sie stellte den Pie auf den Tisch, setzte sich und wartete, bis ich mir die Hände gewaschen hatte.
Ich schob mich in die Bank ihr gegenüber und sah sie zweifelnd an. Würde sie das Gebet sprechen? Sollte ich es tun? Ließen wir es in Zukunft ausfallen? Einige Sekunden verstrichen und ich wollte schon nach dem Löffel greifen, um die Teller zu füllen, da legte sie plötzlich ihre Hand auf meine, schloss die Augen und sprach einen kurzen Segen.
»Aber arbeiten gehst du noch nicht, oder?«, fragte ich fast schwindlig vor Erleichterung.
»Nein, vorläufig nicht. Dies sind die zwei oder drei Stunden am Tag, in denen ich das Gefühl habe, ich schaffe das irgendwie.« Sie lächelte mich ein wenig reumütig an. »Es würde gerade bis zum Altenheim und zurück reichen, abgesehen davon, dass schon eine Dreiviertelstunde davon um ist. Nein, ich … ich stehe lieber für dich auf, Frances.«
Meine Kehle schnürte sich zu. Ich schob den Teller beiseite.
»Es tut mir leid wegen letzter Nacht … ich kann es nicht erklären. Wahrscheinlich die Summe von acht Nächten ohne Schlaf plus all dem Essen aus fremden Töpfen – oder es waren abgelaufene Stimmungsaufheller in der Suppe!« Sie presste die Hand vor den Mund. »Entschuldige. Ich weiß, dass es nicht komisch ist.«
»Aber du darfst lachen! Ich habe gelesen, dass das passieren kann«, sagte ich ermutigt. »Es hat mit Anspannung zu tun.«
»Ach, meine Süße«, sagte sie
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