Liz Balfour
gesellte mich zu meinen Freunden, die mir aufgeregt zusammenfassten, wie die Debatte ausgegangen war. Sie zeigten mir die beiden Redner, und ich merkte, dass der Jüngere der beiden mich neugierig musterte. Er gehörte zweifellos zu den attraktivsten Männern der Runde. Und nicht nur der Runde, wenn ich es recht betrachtete. Wir flirteten eine Weile auf die Entfernung, und ein paar Minuten später hatte er endlich jemanden gefunden, der mich ihm vorstellte.
Wir verstanden uns auf Anhieb. Seine tadellosen Manieren, sein klarer Verstand, sein entwaffnender Charme,
dazu noch sein Äußeres: das Haar eine Spur zu lang, wie es die ehemaligen Privatschüler gerne trugen, tiefbraune Augen, die immer zu lachen schienen, ein offenes, sympathisches Gesicht, eine sportliche Figur, ungefähr Mitte oder Ende dreißig. Kein Colin Firth, eher ein Hugh Grant – der aus den Filmen, nicht aus dem wahren Leben. Und das war es auch, was mich gleichzeitig anzog und abschreckte. Schöne Männer waren anstrengend. Schöne Männer waren gefährlich. Und schöne Männer hatte man nie für sich alleine, so viel war mir von Anfang an klar. Ich war nicht die einzige Frau, die ihn ansah, und ich würde es auch nie sein.
Wir trafen uns also immer öfter, wurden ein Paar. Benjamin folgte einer klaren Linie, wusste sehr genau, wo er stand und wo er hinwollte im Leben. Er war in der Lage, schnell und sicher Entscheidungen zu fällen. Gleichzeitig konnte er Fehler eingestehen, ohne dabei sein Gesicht zu verlieren. Und ich fühlte mich bei ihm ganz und gar aufgehoben und sicher. Wenn ich bei ihm war, glaubte ich, dass mir nichts Schlimmes auf der Welt passieren konnte. Wir hatten auch so viele gemeinsame Interessen, dass uns nie die Gesprächsthemen ausgingen. Wir regten uns über dieselben politischen Entscheidungen auf, wollten zu denselben Ausstellungen und Konzerten, liebten beide gutes Essen und gute Weine, und wann immer ich in seine dunklen Augen sah, glaubte ich, noch nie mit so viel Liebe angesehen worden zu sein. Ein halbes Jahr nach unserem Kennenlernen sprach er von Heirat.
Ich bekam keinen klassischen Heiratsantrag von ihm – er wusste wohl, dass das nicht meinem Stil entsprach. Also legte er mir vernünftig die Vorteile einer Ehe auseinander
und erklärte mir anschließend sehr romantisch, dass er mich liebte und ich die einzige Frau sei, mit der er sich eine Ehe vorstellen konnte. Natürlich war ich geschmeichelt und gerührt, und auch seine nüchternen, praktischen Argumente gefielen mir gut. Kein Wunder, bei seinem Talent fürs Debattieren, dass ich in seinen Händen zu Wachs wurde.
Trotzdem verhandelte ich – typisch für Juristen. Wir einigten uns darauf, ein Jahr vergehen zu lassen. Benjamin fragte mich, ob dieses Jahr die offizielle Verlobungszeit sei, und ich bat ihn, mir auch dafür ein paar Tage Bedenkzeit zu geben.
»Ich bin mir nicht sicher, ob das zu mir passt … verlobt sein … «, sagte ich ehrlich.
»Dann denk darüber nach. Viel wichtiger ist, ob verheiratet sein zu dir passt.« Er grinste. Dann nahm er mich in den Arm und sagte ernst: »Wovor hast du Angst?«
»Dass ich mich mit fünfundzwanzig auf etwas einlasse, das ich später bereue.«
»Mich?«
Ich lachte. »Das Heiraten. Keine Ahnung, irgendwie denke ich, ich müsste erst noch so viel erreichen, bevor ich etwas so Großes angehen kann wie eine Ehe.«
»Du hast Angst, es könnte dich aufhalten?«
»Wahrscheinlich. Ja.«
»Es wird dich nicht aufhalten. Es wird dich beflügeln.« Er küsste mich leicht auf die Wange.
Wahrscheinlich hatte er recht. Ein Mann wie Benjamin würde kaum erwarten, dass seine Frau zu Hause saß und die Haushaltshilfe einwies. Trotzdem: Ein Jahr, um sich mit dem Gedanken anzufreunden und darin einzurichten,
fand ich eine gute Idee, aber ein Jahr verlobt zu sein – dieser Gedanke schnürte mich ein.
»Denk in Ruhe darüber nach. Und egal, wie du dich entscheidest – Hauptsache, du heiratest mich am Ende«, sagte Benjamin.
Also flog ich nach Irland. Es war das erste Mal seit der Beerdigung meines Vaters, dass Deirdre und ich uns wiedersahen. Ich hatte die stille Hoffnung, unser Verhältnis könnte sich bessern. Deirdre musste sich nicht mehr um Colin kümmern, und sie hatte drei Jahre Zeit gehabt, ihr eigenes Leben aufzubauen.
Ich sehnte mich nach einem dieser Mutter-Tochter-Gespräche, von denen meine Freundinnen manchmal erzählten. Ich brauchte jemanden, der mir half, eine Entscheidung zu treffen, die richtig für mich
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