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Liz Balfour

Liz Balfour

Titel: Liz Balfour Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ich schreib dir sieben Jahre
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früh genug startete, würde es schon irgendwie klappen. Und wahrscheinlich war der Bus immer noch die bessere Wahl als ein Taxi, wie ich heute Morgen hatte erfahren müssen. Noch während ich die Buspläne studierte, hörte ich, wie meine Mutter ins Bad
ging. Ich wartete darauf, dass sie an meine Tür klopfen und versuchen würde, mich zum Abendessen zu überreden, wenn sie im Bad fertig war. Aber nichts geschah. Ich hörte nichts mehr. Keine Schritte auf dem Flur, keine auf der Treppe. Leise schlich ich aus dem Zimmer, sah nach, ob sie noch im Bad war, aber das Bad war leer. Durch den Spalt unter ihrer Schlafzimmertür drang Licht. Ging sie jetzt schon ins Bett? Zaghaft klopfte ich an die Tür. Deirdre antwortete nicht. Schlief sie schon? Dabei war es noch nicht mal acht Uhr. Warum hatte sie nicht noch einmal bei mir hereingeschaut? Wahrscheinlich wollte sie mir auf diese Art mitteilen, dass sie beleidigt war. Wenn sie dadurch erreichen wollte, dass ich mich noch unwohler fühlte, dann hatte sie es geschafft.
    Ich ging wieder zurück in mein Zimmer und suchte mir ein paar Berichte über Simon Simm aus der Klatschpresse heraus. Zwischendurch machte sich der Hunger bemerkbar, und ich holte mir etwas aus der Küche, als ich keine Lust mehr auf Simon Simms Ökobaumwolle hatte – Eoin war wohl längst gegangen, und als ich aus dem Fenster sah, bemerkte ich, wie stockdunkel es draußen war. Der Nebel war verschwunden, am Himmel waren Sterne zu sehen. Ich konnte nicht anders, ich musste raus.
    Sicher lag es daran, dass ich müde und erschöpft war – der Streit mit meiner Mutter, die Sache mit dem Pferd, die unerwartete Begegnung mit Eoin, die Konfrontation mit der Vergangenheit – all das trug wohl dazu bei, dass die Zwölfjährige wieder die Führung in mir übernahm und impulsiv an die Luft drängte. Den Pfad runter ans Wasser, das wollte sie, und so fand ich mich wenig
später am Strand wieder. Ich saß auf einem Felsen, betrachtete das schwarze Wasser unter den Sternen, roch das Salz und hörte den Wellen zu. Sie spülten mich sieben Jahre zurück – ziemlich genau sieben Jahre, denn auch damals war ich im Mai nach Irland gekommen.

4.
    Ich war fünfundzwanzig, als Doktorandin in Oxford eingeschrieben, und hatte meine Arbeit so gut wie fertig, als Benjamin davon sprach, mich heiraten zu wollen.
    Wir hatten uns zu Beginn des Studienjahres kennengelernt. Die Oxford Union Society, bei der ich seit meinem ersten Studienjahr Mitglied war, hatte ihn als Redner eingeladen. Die Union Society war ein Debattierclub, in dem man als Student der Universität für einen nicht unerheblichen Jahresbeitrag Mitglied werden konnte. Oft waren bekannte Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft, aber auch dem Showbusiness eingeladen, um sich für oder gegen ein Thema auszusprechen. Es hatte etwas Absurdes, ein Gesicht aus der Klatschpresse in den viktorianischen Räumlichkeiten zu sehen, die Mitte des 19. Jahrhunderts von Alfred Waterhouse entworfen wurden: Die Diskussion fand auf ledernen Sitzbänken, vor rot gestrichenen Wänden und unter kirchenhoher, prunkvoller Kassettendecke statt.
    Dr. Benjamin Russell, Oxford-Absolvent, früherer Präsident der Union Society und Gewinner zweier internationaler Debattierwettbewerbe, war zum Thema »Wirtschaftlichkeit des Terrors« eingeladen worden. Benjamin sprach oft davon, wie eigenartig er sich in den Jahren
danach gefühlt hatte, da ihn diese Diskussion immer wieder einholte. Erst Madrid, dann London – er durfte gar nicht mehr darüber nachdenken, dass er damals für einige zynische Äußerungen, für die er sich mit jedem Anschlag auf dieser Welt mehr schämte, großen Applaus erhalten hatte. Es ging bei den Debatten oft genug gar nicht so sehr darum, eine wirkliche private Meinung zu vertreten, sondern lediglich um das Finden guter Argumente, um den Gegner rhetorisch auszuschalten. Benjamin beteiligte sich nie wieder an einer Debatte und nutzte seine Fähigkeiten nur noch als Anwalt.
    Ich verpasste damals die Diskussion, weil ich noch eine halbe Ewigkeit in der Bibliothek der Union Society saß und an einem Aufsatz arbeitete. Ich hielt mich gerne in dieser alten Bibliothek auf und hoffte beim Anblick der präraffaelitischen Fresken auf Inspiration. An diesem Abend wollte ich es mir jedoch nicht nehmen lassen, noch in der Bar vorbeizuschauen. Dort wurde das Thema der Debatte oft noch hitzig fortgesetzt, und immer wurde dabei viel getrunken. Auch an diesem Tag ging es hoch her. Ich

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