Liz Balfour
hatten uns auf die Gartenbank hinterm Haus gesetzt. Doch diesmal hatte ich keine Zeit, den spektakulären Blick zu bewundern. Diesmal hatte ich meinen Laptop auf den Knien und tippte eifrig. »Wenn du deine Entwürfe nie Simon Simm oder jemandem von seinen Leuten gezeigt hast, muss es jemand anderes getan haben. Wer kann das sein? Gibt es jemanden, der sich gerne an dir rächen würde? Und gleich die nächste Frage: Warum behauptet Simm, du wärst wütend gewesen, weil er dir abgesagt hatte? Nein, ich bin noch nicht fertig: Du hast gesagt, sein Assistent bezeichnete dich als ›kleine Kellerschneiderin‹. Ich dachte im ersten Moment, er meinte es symbolisch. Aber was, wenn er es wörtlich meinte, weil deine Boutique im Souterrain liegt? Wenn er dich und deinen Laden kannte und schon mal dort gewesen war? Oder hat ihm jemand davon erzählt? Kurz: Es ist möglich, dass sie dich bei Simm kennen und sich eine Geschichte ausgedacht haben, um es so aussehen zu lassen, als hättest du jeden Grund, ihm eins auszuwischen. Jetzt muss ich nur noch wissen: Hast du mir in allen Punkten die Wahrheit gesagt?«
Kate verdrehte die Augen. »Ally, bitte!«
»Du darfst jeden anlügen. Ärzte, Eltern, Beichtväter. Nur niemals deine Anwältin. Das weißt du doch?«
»Ja. Sonst noch was?« Sie schielte auf meinen Bildschirm, um zu sehen, was ich tippte.
Ich drehte mich so, dass sie nichts sehen konnte. »Also – könnte jemand, der sich als Kunde ausgibt, ins Hinterzimmer an deine Entwürfe?«
»Nicht, solange ich im Laden bin.«
»Außerhalb der Öffnungszeiten?«
»Klar. Wenn er einbricht.«
»Aber es gab keinen Einbruch.«
»Nein. Aber es ist vermutlich nicht besonders schwierig, diese Tür zu knacken.«
»Das nicht, aber du hättest wahrscheinlich etwas bemerkt. Kann sich jemand versteckt haben und nach Ladenschluss geblieben sein?«
»Du kennst den Laden, dazu ist er viel zu klein.«
Ich nickte. »Ich will nur, dass wir an alles denken.«
So ging es noch ein paar Minuten weiter, bis wir uns einig waren: Wir mussten uns auf Kates Mitarbeiterinnen konzentrieren. Zwei von ihnen hatten erst kürzlich gekündigt, obwohl sie beide erst wenige Wochen bei ihr gearbeitet hatten. Normalerweise blieben Kates Mitarbeiter sehr lange bei ihr, weil sie fair bezahlte und in ihrem kleinen Betrieb eine sehr gute Atmosphäre herrschte, wie man sie sonst kaum je wieder finden würde.
»Du meinst, er hat jemanden eingeschmuggelt?« Kate schüttelte traurig den Kopf. »Ich kann es mir nicht vorstellen. Wozu der ganze Aufwand? Meinst du, ihm ist wirklich nichts eingefallen?«
»Vielleicht ist ihm was eingefallen, aber es war nicht originell genug. Vielleicht hattest du genau die richtigen Ideen. Vielleicht hatten seine Mitarbeiter auch keine zündenden Ideen. Er hatte nur ein Jahr Zeit, um sich alles aufzubauen, das ist sehr kurz. Wenn er nichts
Überzeugendes im Gepäck hatte, stand er extrem unter Druck.«
»Aber warum hat er dann auch noch das Muster kopiert? Die Entwürfe – okay. Aber das Muster?« Kate vergrub stöhnend ihr Gesicht in den Händen. »Wie konnte er so dämlich sein?«
Darüber hatte ich auch schon nachgedacht, und ich hatte eine Antwort. Sie war verblüffend einfach. »Weil dein Gesamtkonzept stimmt. Er hat sich in das ganze Paket verliebt. In die Farben und Muster, in die Schnitte und Stoffe. Deine Sachen sind kleine Kunstwerke, das sagt dir doch jeder. Und Simm hat das verstanden. Er wusste es wahrscheinlich schon, als er damals deine Bewerbung auf dem Tisch hatte.«
»Er hat mir damals abgesagt«, erinnerte mich Kate.
»Ja. Weil er Angst hatte, sich zu große Konkurrenz ins Haus zu holen.« Ich sah Kate lächelnd an. »Du warst ihm zu gut.«
Kate war offenbar nicht bereit, sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass ein Topdesigner der Haute Couture sie für »zu gut« befand. »Er hätte doch …«, begann sie. »Ich meine, warum hat er nicht einfach …« Sie brach ab und sah mich hilflos an.
»Du meinst, er hätte dich fragen sollen, ob du ihm bei seiner Kollektion hilfst?« Ich lachte. »Man braucht nur zehn Sekunden, um zu wissen, dass du ihm einen Korb geben würdest. Entweder du machst es unter deinem Namen, oder du machst es gar nicht. Richtig?«
»Richtig.«
»Na also. Zurück zum Thema. Wen könnte er eingeschmuggelt haben?«
»Niemanden. Alle, die bei mir gearbeitet haben, waren unglaublich entzückend und nett.«
Jetzt drehte ich den Laptop so, dass sie ihn sehen konnte. »Kennst du diese
Weitere Kostenlose Bücher