Liz Balfour
mehr. Und es gibt niemanden, der mir das erklären kann!«
Kate hörte mir mit großen Augen zu. Sie lag immer noch in meinem Bett und hatte tief und fest geschlafen, als ich nach Hause gekommen war, aber nun war sie hellwach. »Ally, keiner von uns war dabei und weiß, was wirklich los war. Ich gebe zu, es klingt komisch, aber was willst du jetzt tun? Wirklich das Cottage verkaufen?«
»Was soll ich denn noch hier?«, rief ich.
»Was hat sich denn verändert? Deine Mutter hatte eine Affäre, na und? Sie hat aber deinen Vater geheiratet und mit ihm ein Kind bekommen, und sie hat deinen Vater treu umsorgt und war immer für ihn da. Es ist doch Blödsinn, jetzt so überstürzt zu reagieren, nur weil du erfahren hast, dass deine Eltern sich vielleicht nicht so heiß und innig begehrt haben, wie du bisher angenommen hast. Dafür haben sie sich gut verstanden und waren beste Freunde. Solche Beziehungen halten erfahrungsgemäß länger und sind glücklicher. Meinst du nicht auch?«
Ich hob die Schultern. »Das alles bringt mich noch um den Verstand. Lass uns ins Krankenhaus fahren und nach ihr sehen, ja?«
Kate zögerte. »Ally, ich muss mich um diese Klage kümmern, und es ist schon gleich ein Uhr …«
Das holte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Hier saß ich und dachte über längst Vergangenes nach, zerbrach mir den Kopfüber Menschen, die schon seit vielen Jahren tot waren, und Kate brauchte dringend meine Hilfe!
»Kate, hör zu. Ich habe mit Benjamin gesprochen.«
»Und jetzt sagst du mir, dass du aus ethischen Gründen nicht mit mir über die Sache sprechen darfst?« Sie sprang aus dem Bett und riss das Fenster auf. »Ich fasse es nicht.«
»Nein. Es gibt nur eine Sache, die ich mit dir klären möchte.« Ich sah ihr zu, wie sie sich eine Zigarette anzündete und wutschnaubend inhalierte. »Benjamin sprach von einem Gutachten. Du hättest deine Unterlagen, die als Beweise dienen sollten, gefälscht, heißt es da. Er wollte es mir mailen. Soll ich mal nachsehen?«
Kate zog die alte, zerbeulte Jogginghose, in der sie oft schlief, zurecht und rauchte weiter. »Spar dir die Mühe.«
Ich stutzte. »Du hast wirklich Beweise gefälscht?«
»Ich kenne das Gutachten, ich weiß, was drinsteht, und nein, ich habe nichts gefälscht, ich habe nur nachträglich das richtige Datum auf die Unterlagen geschrieben. Ich wollte denen doch nur klarmachen, von wann die Entwürfe sind! Du weißt, dass ich nicht besonders ordentlich bin. Buchhaltung bringt mich um. Und nun wollte ich einmal alles richtig und sorgfältig machen, also sah ich in meinem Kalender und meinem Tagebuch nach, wann ich an welchem Entwurf gearbeitet hatte,
und trug die Daten ein. Das hat mich Stunden gekostet, nur damit mir hinterher jemand auch noch Betrug vorwirft! « Sie ließ ihren Frust an dem Zigarettenstummel aus, den sie gewaltsam auf der Fensterbank zerdrückte.
Ich sank aufs Bett. Hatte ich einen Grund, an Kates Aussage zu zweifeln? Nein, bei ihr passte alles. Kein Zögern, keine Unstimmigkeiten. Ich kannte sie auch gut genug, um betrügerische Absichten bei ihr ausschließen zu können. Hingegen hatte Simon Simm sehr viel zu verlieren, sehr viel mehr als Kate. Einen weltweiten Ruf und sehr viel Geld von Investoren, die sich darauf verließen, dass seine Kollektion ein Erfolg wurde, damit sie ein Vielfaches von ihrem Einsatz zurückbekamen. War es so unwahrscheinlich, dass Simm vor lauter Druck keine überzeugenden Ideen für seine Kollektion gehabt hatte und sich anderswo bedienen musste? Dass er schon vor längerer Zeit Kates Potenzial erkannt und sich in der Not daran erinnert hatte?
»Ich helfe dir«, sagte ich. »Ich darf das nicht, deshalb geht es nur inoffiziell. Du kannst sagen, dass du dir einfach keinen Anwalt genommen hast. Oder wir suchen jemanden, der dich vertritt und dabei unserer Strategie folgt. Aber jede neue Person birgt ein neues Risiko.«
»Dann ohne Anwalt.«
»Versuchen wir’s. Meinen Namen darfst du zu keinem Zeitpunkt ins Spiel bringen.«
»Verstanden.«
»Lass uns essen, und dann gib mir eine Stunde, um zu recherchieren. Anschließend besprechen wir, wie wir vorgehen…«
Nach einem späten Mittagessen aus starkem Kaffee und
ein paar Scheiben Toast mit gebackenen Bohnen fühlte ich mich viel besser. Der Nebel, den der Whiskey zum Frühstück in meinem Kopf hinterlassen hatte, verzog sich. Ich verbrachte einige Zeit im Internet, dann rief ich Kate zu mir.
»Es ist im Grunde ganz einfach.« Wir
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