Lizenz zum Kuessen
herunterrennen. Über der Augenbraue hatte er eine Platzwunde, aus der Blut tropfte. Im Ring angekommen, packte er sich einen der beiden Boxer und brüllte etwas auf Thai. Durch die Halle ging lautes Rufen und Schreien. Aus dem Wettblock kamen Papierschnipsel geflogen und noch mehr Geschrei. Alle Zuschauer sprangen auf und drängten nach vorn zum Ring.
Nikki sah ihre Chance gekommen, riss sich von Victor los und schlug ihm mit dem erstbesten Gegenstand, der ihr zwischen die Finger kam, ins Gesicht - ihrer Handtasche. Eine sehr mädchenhafte Strategie, zugegeben, aber ihre Handtasche brachte ein stattliches Gewicht auf die Waage, und Victor zuckte schwer getroffen zurück. Schnell huschte sie an ihm vorbei auf den Gang und boxte sich zum Ausgang durch. Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter, um zu sehen, ob Victor ihr folgte, doch er wurde von den aufgebrachten Massen in entgegengesetzter Richtung zum Ring gedrängt. Als sie atemlos und auf verschütteten Getränken schlitternd im Hauptgang angekommen war, sah sie sich nach einer Fluchtmöglichkeit um.
»Nikki!«, hörte sie Z’ev rufen. Dank seiner imposanten
Größe schlug er sich mühelos durch die Menge. Und er schien noch jemandem im Schlepptau zu haben.
»Victor!«, schrie sie und zeigte in die Richtung, aus der sie gekommen war. Z’ev runzelte die Stirn und schob die Person hinter sich nach vorn, woraufhin Nikki einer sichtlich wütenden Lawan Chinnawat gegenüberstand.
Sie war eine kleine, zierliche Frau, die ihr schwarzes Haar schulterlang und mit einem kurzen Pony trug. Wäre ihre Miene nicht so wild entschlossen und wütend gewesen, hätte sie geradezu niedlich ausgesehen, mit ihrem fein geschwungenen Mund und den Mandelaugen. So sah sie jedoch eher so aus, als wolle sie jeden Moment alles kurz und klein schlagen.
»Hier hinein«, wies Z’ev sie an und schob beide Frauen zu einer Tür.
»Da können wir nicht reingehen«, sträubte sich Nikki, »das ist das Männerklo!«
»Na und? Da warst du doch schon mal«, erwiderte Z’ev und drängte sie hinein. Nikki fand es taktlos, dass er sich überhaupt an den peinlichen Zwischenfall in Kanada erinnerte - und noch dazu zu so unpassender Gelegenheit.
»Wer zum Teufel sind Sie?«, schrie Lawan Nikki an.
»Ich bin Nikki Lanier«, antwortete Nikki schnell. »Ich arbeite für Carrie Mae. Laura Daniels hat mich geschickt, um Ihnen zu helfen.«
»Um mir zu helfen? Und das nennen Sie Hilfe?« Wutschnaubend sah sie sich in der Herrentoilette um.
»Ich habe den Aufruhr da draußen nicht angefangen!«, fuhr Nikki sie an.
»Sie führen sie geradewegs auf meine Spur!«, schrie Lawan zurück.
Ein dumpfer Schlag ließ die Tür zur Herrentoilette in den
Angeln beben, Nikkis Handy klingelte, und dann schlug wieder jemand gegen die Tür.
»Ich glaube«, sagte Nikki und holte tief Luft, »ich glaube, es wäre gut, wenn Sie sich dort drin verstecken würden.«
»Ich verstecke mich doch nicht in einer Klokabine«, erwiderte Lawan tonlos.
»Nun, wenn Sie nicht über ungeahnte Kickboxkünste verfügen«, sagte Nikki, schubste Lawan in eine der Kabinen und drückte ihr gleich noch ihre Handtasche in die Hand, »hielte ich es wirklich für ratsam.« Nachdem sie noch schnell die Elektroschock-Dose aus ihrer Tasche genommen hatte, zog sie die Kabinentür hinter sich zu. Im selben Moment flog die vordere Toilettentür aus den Angeln. Z’ev und Victor stürzten herein und landeten in hohem Bogen auf dem Boden. Ihnen dicht auf den Fersen folgten zwei weitere bullige Typen - jemand wie Victor kam eben selten ohne Verstärkung.
»Schnappt sie euch!«, brüllte Victor und zeigte auf Nikki. Hatte er noch etwas sagen wollen, so blieb es ungesagt, denn Z’ev packte ihn sich und warf ihn in eine der Kabinen. Die beiden Schlägertypen waren sichtlich hin- und hergerissen, ob sie ihrem Chef helfen oder seinen Befehl ausführen sollten.
»Jetzt seid ihr dran, Jungs«, sagte Nikki und hoffte, nicht so ängstlich zu klingen, wie ihr zumute war. Die beiden Männer teilten sich auf - einer stürzte sich auf Z’ev, der andere auf Nikki. Er war überraschend flink, doch sie war vorbereitet. Sie täuschte links an und trat ihm geradeaus in den Magen. Nach einem kurzen Grunzen stürzte er sich abermals auf sie. Nebenbei nahm Nikki wahr, dass ihr Handy mittlerweile piepste und dass von irgendwoher ziemlich viel Wasser durch das Männerklo spritzte. Der Typ hatte es jetzt
auf ihren Hals abgesehen, aber so weit kam er nicht, denn
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