Lizenz zum Kuessen
Riss in ihrer Hose und ließ sie das Blut spüren, das an ihrem Bein herunterlief. Einen ihrer Schuhe hatte sie auch verloren, stellte Nikki fest.
Das würde Val gar nicht gefallen. Val hatte ihr die Schuhe gekauft. Nikki hob einen Arm und rieb sich die Schläfen, ließ ihn aber rasch wieder sinken, weil ihre Rippen sich heftig beschwerten.
»Nikki, was hast du gemacht?«, fragte Nell misstrauisch.
»Nichts, Mom«, erwiderte Nikki und bemühte sich, sich Schmerzen und Tränen nicht anmerken zu lassen.
»Nikki …« Jetzt schlug ihre Mutter den Ton an, der ewige Verdammnis versprach, sollte Nikki es wagen, sie anzulügen.
»Es ist wegen Val. Sie hat mich hängenlassen. Mich und die Firma. Sie … sie hat alles aufgegeben - für einen Typen, der ein totales Arschloch ist.« Ihre Stimme bebte, aber sie hoffte, dass ihre Mutter es nicht merkte.
»Ach ja, wenn eine Frau verliebt ist«, bemerkte Nell wissend, »glaubt sie, sie könne …«
»Ja, ja, sie glaubt, sie könne den Mann genauso verändern, wie sie die Wandfarbe ihres Wohnzimmers verändern kann. Schön blöd, wer so was glaubt.« Nikkis Schmerzen schlugen in Wut und Frustration um, und vorsichtig hob sie die Hand, um sich die Tränen abzuwischen.
»Was ich eigentlich sagen wollte«, sagte Nell hörbar gereizt, »war, dass eine Frau, die verliebt ist, glaubt, sie könne sich selbst so ändern, dass sie zu ihm passt. Sie glaubt, dass
sie das, was sich an ihm nicht ändern lässt, irgendwann nicht mehr stört. Aber das geht nicht. Es wird sie immer stören.«
Nikki erwiderte nichts, weil sie wusste, dass sie sich jetzt auf sehr heiklem Terrain befanden - jeden Moment konnten sich trügerische Fallgruben unter ihnen auftun, in denen noch mehr Wut und Frustration lauerten.
»Der Witz ist nur«, sinnierte Nell weiter, »dass Frauen einen Mann ändern wollen - sie sagen ihm, was er anziehen soll, was er essen soll und lauter solche Sachen, die natürlich nur zu seinem Besten sind. Aber letzten Endes sind es dann doch immer die Frauen, die sich ändern, die versuchen, sich ihm anzupassen. Aber das ist ein großer Fehler. Man sollte nie versuchen, etwas zu sein, was man nicht ist.«
»Ich würde nie versuchen, etwas zu sein, was ich nicht bin«, wiederholte Nikki, womit sie ihrer Karriere bei Carrie Mae wahrscheinlich den Todesstoß versetzte. »Vielleicht sollte ich nach Hause kommen.«
»Sei doch nicht albern«, fuhr ihre Mutter sie an. »Vor ein paar Tagen warst du noch im Training, und jetzt hast du schon so einen tollen Auftrag bekommen. Der Job mag für dich nicht ideal sein, aber sie scheinen viel von dir zu halten. Wenn du mit dem Auftrag fertig bist, kannst du immer noch nach Hause kommen.«
»Ich weiß nicht«, sagte Nikki. Auf einmal fiel ihr das Atmen schon leichter. Sie holte zaghaft Luft, und dann noch einmal, etwas tiefer.
»Aber ich«, sagte Nell in ihrem üblichen herrischen Ton. »Und was wirst du jetzt wegen dieser Val machen?«
»Das weiß ich selbst noch nicht so genau.« Nikki wusste es wirklich nicht.
»Du solltest diese Konferenz, oder was das war, einfach allein durchziehen. Das macht einen guten Eindruck. Außerdem
werden alle wissen, dass sie dich im Stich gelassen hat, ohne dass du extra was sagen musst.«
»Ja«, meinte Nikki und überlegte, was sie ihrer Mutter erzählt hatte, und von welcher Konferenz gerade die Rede war.
»So würde ich das zumindest machen«, fuhr Nell fort. »Ich würde es allein durchziehen.«
»So einfach ist das leider nicht«, sagte Nikki.
»Ach, stell dich nicht so an«, kam es forsch von ihrer Mutter.
»Ich …«, sagte Nikki. »Okay.«
»Gut. Aber weshalb ich dich eigentlich angerufen hatte, war meine absolut schreckliche Woche mit Mr Van der Meer. Von dem hatte ich dir schon mal erzählt - er ist Holländer und kann seine Hände nicht bei sich behalten. Ich kann damit ja umgehen, aber die arme Cissy … Habe ich dir schon erzählt, dass wir eine neue Bürohilfe haben?«
»Ich muss jetzt auflegen, Mom«, sagte Nikki.
»Nein, erst erzähle ich dir von Cissy. Sie trägt falsche Wimpern und riesige silberne Ohrringe …«
»Ich rufe dich an, wenn ich wieder in den Staaten bin. Bis bald, mach’s gut, bye.« Ohne sich von den schrillen »Nikki! Nikki!«-Rufen irritieren zu lassen, drückte sie das Gespräch weg und ließ das Handy neben sich auf das Dock fallen, wo es mit einem dumpfen Schlag landete. Sie hatte aufgelegt! Ein sehr kleiner Sieg, aber immerhin. Und es fühlte sich gut an. Am
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