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Lizenz zum Kuessen

Lizenz zum Kuessen

Titel: Lizenz zum Kuessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethany Maines
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war. Sie brauchte einen Plan. Der erste Schritt zu einem vernünftigen
Plan bestand laut Mrs Boyer darin, die Ausgangslage einzuschätzen: wo war sie, in welchem Zustand befand sie sich, welche Ressourcen standen ihr zur Verfügung? Wo sie war, wusste sie nicht - alles war stockfinster. Sie wusste nicht, ob sie blutete - alles war nass und warm. Panik stieg in ihr auf. Panik und Angst. Langsam glitt sie in jenen Bereich ab, wo kein klarer Gedanke mehr war, nur noch Instinkt, und das machte ihr furchtbare Angst.
    »Ressourcen!«, befahl sie ihrem Gehirn, und ihre Stimme klang in der Dunkelheit wie das heisere Quaken eines Froschs. Ihre einzige Ressource war ihr wasserfester Rucksack, der ihr Auftrieb gab.
    Die Erkenntnis, dass es ihr Rucksack war, der sie über Wasser hielt - und nicht ihr panisches Paddeln - ließ Nikki sofort ein bisschen ruhiger atmen. Unter Schmerzen wand sie sich aus den Schultergurten des Rucksacks, zog ihn so wieder über, dass er vor der Brust hing, und schlang beide Arme darum. So, jetzt ging es ihr schon besser.
    Der zweite Schritt war die Problembestimmung. Problem Nummer eins: Sie wusste nicht, in welche Richtung sie schwimmen sollte. Problem Nummer zwei: Sie wusste wirklich nicht, ob sie blutete. Es war auf sie geschossen worden. Und Val hatte getroffen - zwei Wunden bohrten sich wie brennende Wurmstiche in ihre Brust, aber sie atmete noch. Was bedeuten konnte, dass es entweder nicht so schlimm war, oder sie jeden Moment wegen Blutverlustes das Bewusstsein verlieren konnte. Problem Nummer drei: Sollte sie überleben, blieb immer noch das Problem, was sie wegen Val unternehmen sollte.
    Das dritte Problem war eigentlich gar keins, denn wahrscheinlich würde sie sowieso sterben, und dann wäre Val nicht mehr ihr Problem. Und weil sie auf das zweite Problem
keinen Einfluss nehmen konnte, tat sie am besten so, als wäre alles in Ordnung. Womit nur noch ein Problem blieb: In welche Richtung sollte sie schwimmen? Vorsichtig drehte Nikki den Kopf in alle Richtungen, doch überall war es gleich finster. Wieder spürte sie Panik in sich aufsteigen.
    In ihrem Rucksack fing das Handy an zu klingeln. Obwohl es nur gedämpft zu hören war, erkannte sie den Klingelton ihrer Mutter. Jahrelange Konditionierung machten es ihr nahezu unmöglich, Sympathy for the Devil zu ignorieren. Immerhin war sie ihre Mutter - sie musste rangehen. Außerdem stiegen ihr bei dem Gedanken, jetzt mit ihrer Mutter zu sprechen, Tränen in die Augen. Sie wollte mit ihr sprechen - jetzt, wo sie wirklich keine Ahnung hatte, was sie tun sollte. Ihre Mutter würde ihr zwar auch nicht helfen können und sie mit ihrer Nörgelei nur zu unbedachten Trotzreaktionen verleiten, aber das war wenigstens vertrautes Terrain.
    Nachdenklich starrte Nikki in die Dunkelheit. Seit sie hier war, hatte sie es geschafft, ziemlich viele Anrufe ihrer Mutter nicht anzunehmen. Eine bewusste Entscheidung war das zwar nicht - sie war einfach so beschäftigt gewesen. Aber ausgerechnet dann, wenn sie wirklich einmal nichts dagegen gehabt hätte, die vertraute Stimme ihrer Mutter zu hören, konnte sie nicht rangehen, ohne ihre einzige Ressource zu versenken.
    Der Fluss schwappte in kichernden kleinen Wellen an ihr hoch, und sie warf dem Wasser böse Blicke zu. Es schien sich über sie lustig zu machen. Oder wollte es ihr womöglich etwas sagen? Trugen die Wellen sie nicht in eine ganz bestimmte Richtung?
    Vorsichtig strampelte Nikki mit den Beinen und versuchte, sich den Stadtplan von Bangkok in Erinnerung zu rufen. Der Fluss machte etliche Windungen und Biegungen, aber
tendenziell floss er von Nord nach Süd. Sie war am rechten Ufer reingefallen, also von Osten. Wenn die Wellen also von links gegen sie schwappten … Nikki strampelte im Wasser, bis sie wieder gen Osten ausgerichtet war.
    Sie trat einmal kräftig aus und spürte sofort das Feuerwerk aus Schmerzen explodieren. Ihr wurde schwindelig und sie keuchte.
    »Hier kannst du nicht bleiben«, sagte sie laut und streng. Was natürlich stimmte, aber hier zu bleiben wäre so viel einfacher. »Jede Veränderung ist hart«, zitierte sie Mrs Boyer. »Aber Sie müssen in Bewegung bleiben.« Sie hatte damals gedacht, dass Mrs Boyer große Veränderungen meinte - Abnehmen, tougher werden, Verantwortung übernehmen. Sie hätte nicht gedacht, dass damit so kleine Veränderungen gemeint sein könnten wie das Anziehen und Ausstrecken der Beine.
    Mit vorsichtigen Schwimmbewegungen, bei denen sie jeden Muskel spürte

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