Lizenz zum Kuessen
liebsten wäre sie jetzt ganz lange so liegen geblieben und hätte ihren Sieg genossen.
»Du kannst hier nicht liegen bleiben«, sagte sie sich. »Los, beweg dich.«
»Das wird hart«, erwiderte sie.
»Am Anfang ist es immer hart«, gab sie zurück. Darauf gab es keine Erwiderung, womit die Sache geklärt sein dürfte.
»Blödes Bewegen«, brummelte sie, drehte sich auf den Bauch und machte sich auf Händen und Knien ans Aufstehen, was tatsächlich ziemlich hart war.
Während sie über das Schwimmdock stolperte und schwankte, schaute Nikki sich um. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war. Wahrscheinlich war sie einfach ein Stück den Fluss hinabgetrieben, und der schnellste Weg zurück nach irgendwo dürfte erst mal immer geradeaus liegen.
Kaum war sie am Ufer, leuchtete ein Scheinwerfer vor ihr auf. Nikki hob die Hand gegen das blendende Licht und wusste, dass sie erledigt war. Doch statt Vals wütender Stimme oder einem Schuss hörte Nikki einen kaum enden wollenden Wortschwall auf Thai.
»Böse Männer!«, rief ihr Tuk-Tuk-Fahrer, als er aus dem Wagen sprang. »Ich habe Sie gesucht! Böse Männer!«
Als er noch einmal »Böse Männer!« sagte, sie beim Arm packte und mit zu seinem Wagen zog, nickte Nikki zustimmend. »Dummes Mädchen!«, ging es weiter. Er fuchtelte ihr mit erhobenem Zeigefinger vor dem Gesicht herum. Wieder konnte Nikki nur nicken.
»Dummes Mädchen«, gab sie ihm Recht. Er runzelte die Stirn und half ihr ins Tuk-Tuk.
»Sie brauchen mir nicht zu helfen«, sagte sie kläglich, als er sie in wütendem Schweigen zurück zum Hotel fuhr.
»Ich muss helfen«, erwiderte er und sah sie im Rückspiegel an. Als er an einer roten Ampel halten musste, drehte er sich zu ihr um. »Wegen Karma.«
Nikki fragte sich, welche Tat aus seinem früheren Leben ihr gerade zugute kam. Die schwülwarme Nachtluft Bangkoks umfing sie. Es roch nach Autoabgasen, in die sich ein süßer Duft nach frischem Jasmin mischte, als wolle die Stadt sie daran erinnern, wie herrlich das Leben sein konnte.
Ihr Handy klingelte. Nikki zuckte kurz zusammen und betrachtete es argwöhnisch, da sie die Nummer nicht kannte.
»Yeah?«, sagte sie.
»Nikki, hier ist Jane.«
»Jane?«
»Ich habe nicht viel Zeit, aber ich muss dir etwas sagen.«
»Mir etwas sagen?«
»Du sollst dich nicht mehr bei mir melden.«
»Was?«, fragte Nikki entgeistert.
»Keine Anrufe, keine E-Mails. Dr. Hastings wird dich zurück nach Kalifornien beordern.«
»Das verstehe ich jetzt nicht.«
»Ich auch nicht. Irgendwelche internen Machtspielchen. Ich habe mit Mrs Merrivel gesprochen, und ich … Ja! Ich komme gleich!« Obwohl Jane in die Richtung von jemand anderem schrie, hielt Nikki das Telefon kurz vom Ohr weg. »Ich muss jetzt auflegen. Also, ruf nicht mehr an. Ich melde mich binnen der nächsten zwölf Stunden bei dir.«
»Zwölf Stunden? Jane …« Aber die Leitung war bereits tot. »Scheiße«, sagte Nikki und starrte ihr Handy an.
Thailand XIV
Nach dem Schuss
Als sie vor dem Hotel hielten, stieg Nikki ganz langsam und vorsichtig aus und zuckte trotzdem bei jeder Bewegung zusammen.
»Danke«, sagte sie zu dem Tuk-Tuk-Fahrer. Gerne hätte sie noch mehr gesagt, aber die Sprachbarriere und ihre Schmerzen machten es ihr unmöglich, mehr als die elementarsten Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Der Tuk-Tuk-Fahrer hob lächelnd die Schultern.
»Warum haben Sie nach mir gesucht?«, fragte sie, ohne große Hoffnung verstanden zu werden und eine Antwort zu bekommen.
»Wir müssen unseren Weg gehen«, sagte er, und wies mit einer großen Geste auf den imaginären Weg, der vor ihnen allen lag. »Aber wir müssen auch aufpassen«, fügte er ernst hinzu und tippte mit dem Finger auf einen ihrer Blutergüsse. Nikki mühte sich ein gequältes Lächeln ab. Fröhlich winkend fuhr er davon.
Sowie sie in ihrem Zimmer war, schälte sie sich mit letzter Kraft aus ihren Klamotten und machte sich tapfer an die Schadensaufnahme.
An der Hüfte hatte sie eine offene Wunde sowie eine gelbgrün geschwollene Prellung. Ihr Rücken war von Kratzern, Schnitten und Schürfwunden überzogen, ebenso ihre Beine. Am Oberkörper, wo das Anastasia spezial die Kugeln abgefangen
hatte, hatte sie zwei sich lila verfärbende, dollargroße Blutergüsse.
Nikki humpelte zur Dusche und wartete, bis das Wasser dampfte, bevor sie sich darunterstellte und den Duschvorhang zuzog. Jeder Schnitt und jeder Kratzer jaulte vor Schmerz, als heißes Wasser darauftraf. Nach ein paar Minu - ten
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