Lizenz zum Kuessen
Band.«
»Stimmt«, meinte Rachel White, die durch den langen Korridor auf sie zukam. Ihre störrischen blonden Locken standen ihr wirr vom Kopf ab. In dieser surrealen Umgebung erinnerte sie Nikki irgendwie an Alices weiße Königin. »Aber wir waren der Ansicht, dass Wunderland beide
Bücher umfasst und wir uns deshalb nicht auf eines beschränken müssen.«
»Kleine Angeberin«, zischte Val Nikki zu, aber ihre Augen funkelten vergnügt.
»Sorry.« Nikki lächelte entschuldigend. »Aber dieses Gedicht ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie unser Gehirn korrekte Grammatik verarbeiten kann, ohne die eigentlichen Worte zu verstehen. In einem meiner Seminare wurde es andauernd als Beispiel herangezogen.«
»Wie meinst du das - Grammatik verarbeiten?«, fragte Rachel und bedeutete ihnen, ihr zu folgen.
Eine andere Frau im Laborkittel kam ihnen mit etwas entgegen, das in ein weißes Tuch gehüllt war. Rachel blieb kurz stehen und stubste ein wenig mit dem Finger daran, ehe sie ihrer Kollegin kurz zunickte und sie weitergehen ließ. Als sie sich wieder zu Val und Nikki umdrehte, schaute sie die beiden an, als habe sie völlig den Faden verloren.
»Ach ja, die glassen Wieben! Grammatik ohne richtige Worte verstehen. Ich höre«, platzte sie dann heraus, und Nikki blinzelte vor Schreck, weil sie auf einen unangekündigten Linguistik-Test nicht vorbereitet war.
»Nun ja … also, das Gedicht selbst ist grammatikalisch korrekt. Ich meine, unser Gehirn kann den Text aufgrund seiner syntaktischen Struktur verstehen und Fragen dazu beantworten. Was sind die Wieben? Sie sind glass. Wo sind sie? Im Gemank. Was machen die Wieben? Sie rottern gorkicht. Aber die Worte selbst sind purer Nonsens. Das Gedicht ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich aus linguistischer Sicht Sinn und Syntax nicht gegenseitig bedingen.« Nikki merkte, dass sie rot wurde und verstummte. »Sorry, ich habe Linguistik studiert. Meine Mutter sagt immer, ich soll das lieber für
mich behalten, weil ich sonst nochmal jemanden damit zu Tode langweile.«
»Aber nein!«, entgegnete Rachel und blieb vor einer Tür stehen. »Das ist wirklich interessant. Ich habe mir da ehrlich gesagt noch nie Gedanken drüber gemacht. Was genau machen Linguisten eigentlich?« Mit der Handfläche berührte sie ein Sensorenfeld neben der Tür. Ein schmaler Lichtstreifen leuchtete auf und fuhr an ihrer Hand entlang abwärts und dann wieder hinauf. Die Tür sprang auf.
»Das wüsste ich auch gern. Was genau machst du eigentlich?«, fragte Val ungewohnt lebhaft.
»Also, ganz allgemein gesprochen untersuchen Linguisten, wie unser Gehirn Sprache bildet und wie Sprache sich im kulturellen Kontext entwickelt. Manche Linguisten arbeiten dann später für Carrie Mae.«
Rachel lächelte verständnisvoll. »Es ist nicht immer leicht, Arbeit in seinem Fachgebiet zu finden. Bevor ich hier angefangen habe, war ich zwei Jahre lang Laborassistentin in der Forstwirtschaft - zwei Jahre zu lang, das könnt ihr mir glauben.«
Sie kamen in einen Raum, der wahrscheinlich ein Labor war, aber eher an einen Trödelladen erinnerte. Neben etlichen Computern standen scheinbar gewöhnliche Hausgeräte, Lötkolben, riesige Vergrößerungsgläser und allerlei undefinierbares Werkzeug. Rachel führte Nikki und Val durch eine weitere Tür, und sie kamen in einen Raum, der in viele kleine Einheiten unterteilt war und Nikki irgendwie an die Schießstände auf der Ranch erinnerte. Jede Kammer hatte Betonwände und zum Gang hin eine dicke Glasscheibe. Aus einer der Kammern kamen gerade ein paar Frauen in weißen Kitteln hektisch nach draußen gerannt.
»Wir testen den Staubsauger!«, rief eine von ihnen Rachel zu und sprang aufgeregt auf und ab.
» Oooh! Wartet mal kurz«, sagte Rachel zu Val und Nikki. »Das muss ich mir unbedingt anschauen.« Sie nahm die Hände aus den Taschen ihres Laborkittels und klatschte begeistert in die Hände, als wolle sie den Staubsauger anspornen.
Gespannt standen sie vor der Glasscheibe und schauten auf einen Staubsauger, der etwas verloren mitten in der kleinen Kammer stand. Der Stecker steckte in der Steckdose, der Staubsauger lief. Eine Person in bombensicherem Schutzanzug beugte sich darüber und drückte ein paar Knöpfe am Griff. Nachdem auch der letzte Knopf gedrückt war, eilte die Person im Schutzanzug so schnell wie in der Montur möglich aus der Kammer. Der Staubsauger lief noch exakt fünfundvierzig Sekunden weiter und explodierte dann in unzählige
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