Lizenz zum Kuessen
und schwarzer Strumpfhose war es sogar bürotauglich und gab genau jenen Edelpunk-Look ab, den Nikki immer schon bewundert, aber selbst nie hinbekommen hatte.
»Jane, warum gibst du uns nicht einfach ein kurzes Briefing, damit Nikki auch weiß, worum es geht«, sagte Lillian und riss Nikki aus ihren Gedanken. »Es sei denn, Sie sind über den Fall bereits informiert worden?« Ihre Stimme hatte einen eisigen Unterton, der Nikki nervös machte.
»Nein, ich weiß noch gar nichts darüber«, sagte sie und lächelte etwas irritiert.
»Schön. Dann fang mal an, Jane.« Lillian lehnte sich zurück.
Jane schaute Dr. Hastings an und nickte. Ihr schwarz glänzender Pony wippte anmutig. Nikki verspürte einen Anflug von Neid beim Anblick des glatten, wohlerzogenen Haars. Ihr entging auch nicht, dass Lillian Hastings höchst geringschätzig die Lippen verzog, als sie las, was auf Janes T-Shirt stand.
»Okay«, fing Jane an, die Lillians Miene entweder nicht bemerkte oder aber ignorierte, und drückte eine Taste auf ihrem Laptop. Das Licht wurde gedimmt, und eine Leinwand rollte von der Decke herab. »Hier sehen wir Laura Daniels, Frau des amerikanischen Botschafters in Thailand und seit Kindertagen eine gute Freundin von Mrs Merrivel.«
Jane zeigte das Bild einer Frau in Mrs Merrivels Alter mit unnatürlich blondem Haar und dem routinierten Lächeln einer Nachrichtensprecherin.
»Mrs Daniels hat sich seit Jahren der Wohltätigkeitsarbeit verschrieben, besonders im Bereich Bildung und Gesundheitsversorgung von Frauen. Unsere Stiftung hat schon häufig mit ihr zusammengearbeitet. Derzeit organisiert Mrs Daniels die erste Konferenz zum Thema Frauengesundheit im südostasiatischen Raum, die nächste Woche in Bangkok stattfinden wird.«
»Verleiht der Frau einen Orden«, kam es von Val.
»Und das ist Lawan Chinnawat«, fuhr Jane fort, als hätte sie Val nicht gehört. »In Thailand ist Lawan eine der vernehmlichsten Stimmen, die sich gegen den Frauenhandel und die Sexindustrie in Asien ausspricht. Sie hat im Rotlichtbezirk von Bangkok ein Zentrum zur kostenlosen Gesundheitsversorgung aufgebaut und arbeitet mit der von Laura Daniels gegründeten Stipendienstiftung zusammen, die es
den Kindern von Prostituierten ermöglichen soll, ein Internat zu besuchen. Ziel ist es, den Kindern mit einer guten Schulbildung dabei zu helfen, aus dem Teufelskreis von Gewalt, Prostitution und Drogenmissbrauch auszubrechen.«
»Dafür bekommt sie zwei Orden«, sagte Val und fing sich diesmal einen erbosten Blick von Jane ein.
»Okay, alles ganz toll, die beiden sind wunderbare Menschen, aber weshalb sind wir hier? Wahrscheinlich, weil es ein Problem gibt. Komm auf den Punkt, Jane.«
»Lawan ist verschwunden«, sagte Jane knapp.
»Was heißt ›verschwunden‹?«, fragte Val. »Ich meine, verschwunden im Sinne von ›sich einen romantischen Urlaub gönnen, ohne jemandem was davon gesagt zu haben‹, oder verschwunden im Sinne von ›blutiges Massaker auf dem Küchenfußboden‹?«
»Um das zu klären, sind wir hier«, sagte Dr. Hastings kühl. »Ich glaube, wir müssten Laura Daniels jeden Moment in der Leitung haben …«, ein fragender Blick zu Jane, die nickte, »… dann können wir sie genau das fragen. Wäre es nach mir gegangen, hätte ich euch wegen dieser Angelegenheit überhaupt nicht hierherbeordert, aber Miranda hat sehr nachdrücklich darauf bestanden.«
Da Nikki von klein auf mit Nells zweischneidigen Komplimenten und versteckten Beleidigungen aufgewachsen war, kannte sie sich mit unterschwelligen Ressentiments und spitzen Bemerkungen bestens aus. Und sie merkte immer sofort, wenn die Spitze gegen sie gerichtet war.
»Die Verbindung steht«, sagte Jane. »Wir können mit der Videokonferenz anfangen.«
Auf der Leinwand flackerte es kurz, dann tauchte eine leicht verfärbte Version von Laura Daniels auf.
»Oh«, sagte sie, während das Bild sich stabilisierte und
lebensechtere Farben annahm. »Oh«, sagte sie noch einmal. »Ah, da sind Sie ja. Mache ich das richtig so? Ich bin mir nicht sicher, ob ich das richtig mache.«
»Wir können Sie sehr gut verstehen, Mrs Daniels«, ver - sicherte ihr Jane. »Sie sprechen mit Dr. Hastings, Valerie Robinson und Nikki Lanier.«
»Und Sie müssen Jane sein. Nennen Sie mich doch bitte Laura«, sagte die Frau und lächelte herzlich. »Vielen Dank Ihnen allen, dass Sie sich Zeit für dieses Gespräch nehmen.«
Laura war ganz offensichtlich geübt im gepflegten Ton geselliger kleiner
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