Lizenz zum Kuessen
Serviette. Nikki fand das überhaupt nicht witzig.
»Ich fände es auch gut, wenn sie meine Freunde nicht nach ihren Autos beurteilen würde. Dabei hat sie das überhaupt nicht nötig. Sie ist unabhängig. Ich meine, ihr gehört das Haus, in dem sie wohnt, und ihr ganzes Geld ist wirklich ihr Geld, weshalb man meinen sollte, dass es ihr egal wäre, was
meine Freunde machen oder wie viel sie verdienen. Sie wolle nur, dass sie ›gut genug‹ für mich sind, sagt sie. Aber letztlich geht es immer ums Geld. Einmal war ich total in einen Typen verliebt, den sie ganz furchtbar fand, und ich bin absolut überzeugt, dass es nur daran lag, weil er diesen verbeulten alten Ford fuhr. Aber wenn ich gar keinen Freund habe, passt ihr das auch nicht. Sie findet, dass man einen Freund haben muss . Mit einem armen Mann zusammen zu sein ist immer noch besser als überhaupt keinen zu haben. Allein sein geht überhaupt nicht.«
»Deine Mutter hat ein Problem«, stellte Val fest. »Ist die Emanzipation komplett an ihr vorübergegangen?«
Nicki zuckte die Achseln. »Gut möglich.«
»Okay, und was noch?«, fragte Val. »Was wünschst du dir von deiner perfekten Mutter sonst noch so?« Nikki schüttelte den Kopf. An ihre Mutter zu denken, machte ihre mörderischen Kopfschmerzen nicht gerade besser. Zur Abwechslung dachte sie über Val nach. Val war tough, unabhängig und geschieden - eigentlich war sie ihrer Mutter ziemlich ähnlich. Aber im Gegensatz zu ihrer Mutter schien Val von Nikki nichts zu erwarten und nichts von ihr zu verlangen, außer einfach Nikki zu sein.
»Eigentlich will ich nur meine Ruhe«, meinte Nikki schließlich und seufzte.
»Siehst du. Sag es ihr. Sag es nett, aber sag es ihr.«
»Kann man seiner Mutter nett sagen, dass sie einen in Ruhe lassen soll?«
»Hmmm. Okay, vielleicht nicht, aber jetzt mal im Ernst: Willst du wirklich, dass sie dich für den Rest deines Lebens jeden Tag anruft?«
»Als ich noch bei ihr gewohnt habe, war sie nicht so.«
»Logisch. Aber jetzt wohnst du nicht mehr bei ihr, und du
solltest dir langsam mal was einfallen lassen. Du musst Grenzen setzen.«
»Das sagst du so leicht, sie ist ja auch nicht deine Mutter. Natürlich ist sie nicht die perfekte Mom, aber sie ist das Einzige, was ich noch an Familie habe.«
Val ließ ihr Feuerzeug auf- und zuschnappen und starrte auf ihre Zigarette. Nikki trank ihren Orangensaft.
»Ich hatte nie eine Familie. Mein Dad hat sich nach der Scheidung aus dem Staub gemacht, meine Mom war irgendwie auch nie da, ich bin von einem Verwandten zum anderen geschoben worden.«
»Das tut mir leid.« Nikki war ziemlich überrascht, dass Val ihr das erzählte.
»Ich erzähle dir das nicht, weil ich dein Mitleid will«, sagte Val scharf. »Ich will dir nur erklären, wie es aussieht. Ich hatte praktisch nie eine Familie und habe es auch nie vermisst. Ich war immer auf mich allein gestellt, und meistens gefällt mir das auch so. Damit wir uns richtig verstehen: Ich finde es auch schön, jemanden zu haben. Irgendwann hast du in deinem Leben den Punkt erreicht, wo es dir wie die tiefste Hölle vorkommt, abends in ein leeres Haus zurückzukommen.«
»Warum suchst du dir dann nicht einen netten Mann und bekommst ein paar Kinder?«, schlug Nikki vor, um Val aus ihren düsteren Gedanken zu reißen.
»Kinder? Ich und Kinder? Spinnst du? Stell dir das mal vor!« Val schnaubte. Nikki musste schmunzeln. »Außerdem verabrede ich mich nie mit netten Männern. Nette Männer geben mir nichts. Und woher willst du wissen, dass ich nicht schon längst sechs Ehemänner habe?« Sie lachte.
»In deinem Haus sah es nicht gerade danach aus. Keine Fotos, nichts, was auf jemand anderen schließen ließ. Keine
Anrufe, nur einer von der Firma. Und du bist … ähm, etwas unausgeglichen, wenn ich das mal so sagen darf.«
»Da schau an, dir entgeht aber auch gar nichts«, sagte Val und betrachtete sie argwöhnisch. Dann winkte sie ab, als wollte sie Nikkis Vermutung abtun. »Aber leider die falschen Schlüsse gezogen. Wenn ich regelmäßig Sex habe, bin ich genauso unausgeglichen und aufbrausend. Aber, was ich eigentlich sagen wollte, bevor du mich mit dieser abstrusen Idee, ich solle mich fortpflanzen, davon abgebracht hast, ist, dass ich es immer ein bisschen seltsam finde, Leute zu treffen, die von ihrer Familie einfach nicht loskommen.«
»Danke«, sagte Nikki trocken. »Gut zu wissen, dass ich bei uns beiden den Part des Dr. Seltsam spielen darf.«
Ein Lächeln huschte
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