Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
Luft. Es war eine massive Explosion, bei der 29 Menschen ums Leben kamen, darunter vier israelische Diplomaten und fünf jüdische Argentinier; mehr als 200 Menschen wurden verletzt, darunter auch zahlreiche Kinder einer benachbarten Schule. Ermittlungen der argentinischen Polizei, aber auch des Mossad ließen keinen Zweifel, dass der Vergeltungsschlag die gemeinsame Handschrift der Hisbollah und des iranischen Ministry of Intelligence and Security (MOIS) trug. MOIS-Agenten, die an der iranischen Botschaft arbeiteten, hatten den Sprengstoff im Diplomatengepäck ins Land geschmuggelt.
Ganz Israel stand unter Schock. Auch im Militärgeheimdienst Aman wuchsen die Zweifel, ob die Exekution al-Mussawis und seiner Familie wirklich eine so gute Idee gewesen war. Doch auch mit dem Blutzoll von Argentinien waren die Rachegelüste der Hisbollah noch immer nicht befriedigt. Am 15. Juli 1994, mehr als zwei Jahre nach der Hinrichtung ihres Chefs, brachte eine Explosion das siebenstöckige Hauptquartier der jüdischen Organisation AMIA zum Einsturz – wieder in Buenos Aires, wieder verursacht durch einen mit Sprengstoff beladenen Lastwagen. 85 Menschen starben, 300 wurden verletzt. Danach verkündete ein der schiitischen Terrororganisation nahestehender libanesischer Fernsehsender, nunmehr sei der Tod al-Mussawis gerächt.
Nach der Ermordung al-Mussawis und seiner Familie wies die israelische Armee den Verdacht von Menschenrechtsorganisationen wie B’Tselem »aus tiefstem Herzen« zurück, dass dies der Auftakt einer Politik der Ermordung israelischer Staatsfeinde sei, vielmehr gelte »die Unverletzlichkeit des Lebens als fundamentales Prinzip aller IDF-Aktivitäten«. Von der Rache der Hisbollah und den moralischen Bedenken gegen die gezielte Tötung eines Kindes einmal abgesehen – die spontan beschlossene Exekution al-Mussawis war nicht einmal eine effektive Maßnahme. Vielmehr trug sie dazu bei, eine Spirale der Gewalt in Gang zu setzen, wie sich aus einer Statistik des Terrors herauslesen lässt. Bis zur Ermordung von al-Mussawi hatte es in zwölf Jahren nur einen einzigen Selbstmordanschlag in Israel gegeben, als am 6. Juli 1989 bei einem Bombenattentat auf den Bus Nr. 405 16 Menschen starben. Nach 1992 jedoch begann ein regelrechtes Blutbad palästinensischer Terroristen in Israel mit mehr als 160 Toten innerhalb von fünf Jahren.
Ron Arad, der abgestürzte Navigator der israelischen Luftwaffe, mit dessen ungeklärtem Schicksal 1986 alles anfing, gilt bis heute als verschollen. Es ist davon auszugehen, dass er schon wenige Jahre nach seiner Gefangennahme im Libanon verstarb.
Vorsorge, nicht Vergeltung
»In den neunziger Jahren lehnte es Israel kategorisch ab, gezielte Tötungen zuzugeben. Wenn entsprechende Beschuldigungen kamen, wiesen die IDF diese von ganzem Herzen zurück. Es werde nie eine Politik der absichtlichen Tötung von Verdächtigen geben, hieß es, die Unverletzbarkeit des Lebens gehöre zu den fundamentalen Prinzipen der israelischen Streitkräfte.«
Philip G. Alston, Völkerrechtler und UN-Berichterstatter über gezielte Tötungen, 2010
»Um diesen Krieg zu gewinnen, müssen wir an verschiedenen Fronten kämpfen. Am Offensichtlichsten sind direkte militärische Aktionen gegen die Terroristen selbst. Israels Politik der präventiven Schläge gegen diejenigen, die versuchen, sein Volk zu ermorden, wird heute, glaube ich, besser verstanden und bedarf keiner weiteren Ausführung.«
Benjamin Netanjahu 2001 im Vorwort seines Buches »Fighting Terrorism«
Der Mann besaß eine Mission, und deren Gründe waren auch persönlicher Natur: Benjamin Netanjahu hatte bei einer geheimen Operation der israelischen Eliteeinheit Sayeret Matkal seinen älteren Bruder Jonathan verloren. In der Nacht vom 3. auf den 4. Juli 1976 war eine Kommandoeinheit unter seiner Führung nach Entebbe in Uganda geflogen, umFluggäste einer Air France Maschine zu befreien, die von der palästinensischen Terrororganisation PFLP entführt worden war (siehe S. 201). Alle Geiselnehmer und drei Geiseln starben, alle Soldaten der Sayeret Matkal kehrten unversehrt nach Hause zurück – mit Ausnahme von Jonathan Netanjahu.
Ihm zu Ehren gründete sein Bruder Benjamin drei Jahre nach Entebbe das Jonathan-Institut, das im selben Jahr eine erste internationale Konferenz gegen den Terrorismus organisierte, und fünf Jahre später, am 4. Juli 1984, noch eine zweite. Der Leitgedanke dieser hochkarätig besetzten Fachtagungen war
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