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Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Titel: Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egmont R. Koch
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getötete israelische Zivilisten und 16 getötete Soldaten schlugen damals für ihn zu Buche. Mehr als genug, um ihn zum Tode zu verurteilen. Doch mit Shehade starben auch seine Frau Laila und seine vierzehnjährige Tochter Iman Salah, von den Nachbarn kamen durch die Wucht der Explosion fünf Erwachsene, sechs Kinder und sogar ein noch nicht einmal ein Jahr altes Baby ums Leben. Ariel Sharon, der israelische Premierminister, lobte die Hinrichtung zunächst »als einen unserer größten Erfolge«, korrigierte später aber seine Bewertung unter dem Eindruck der Fakten: »Hätte ich den Ausgang geahnt, wäre die Exekution verschoben worden.«
    Menschenrechtsorganisationen und Politiker in der ganzen Welt, auch in Israel selbst, reagierten empört, einige sprachen sogar von einem Kriegsverbrechen. General Dan Halutz, Kommandeur der israelischen Luftwaffe, beglückwünschte dagegen seine Piloten nach der Operation, wie er später in einem Interview einräumte: »Die Durchführung war perfekt! Superb! Es gibt hier kein Problem, das Euch beunruhigen müsste. Ihr habt genau nach Befehl gehandelt.«
    Die Armee und der Geheimdienst Shin Bet setzten dann doch eine interne Ermittlung in Gang, deren Ergebnisse aber schon eine Woche später auf dem Tisch lagen: Der Einsatz sei »korrekt und professionell« abgelaufen und dabei »ein wichtiger Terroranführer« ausgeschaltet worden, attestierten sich die Militärs in ihrer Expertise. Allenfalls habe es bei der Qualität der vorliegenden Geheimdienstinformationen Mängel gegeben, weil nicht klar gewesen sei, dass so viele Zivilisten in der Umgebung von Shehade leben.
    Kollateralschaden: Bei einem Bombenabwurf auf das Haus des Hamas-Terroristen Salah Mustafa Shehade starben im Juli 2002 auch seine Frau und seine Tochter sowie fünf Erwachsene und sieben Kinder aus der Nachbarschaft.
    Für 27 Reservepiloten der israelischen Air Force bedeutete die Katastrophe das Ende ihrer Geduld. Sie beklagten sich unter der Federführung des damaligen Brigadegenerals Iftach Spector öffentlich, dass ein so massives Bombardement wie bei der Exekution Shehades einen militärischen Ethikkodex verletze und moralisch nicht zu verantworten sei. »Wir lehnen es ab, uns weiterhin an Angriffen auf zivile palästinensische Zentren zu beteiligen.« Seine Vorgesetzten seien über die Aktion »nicht amüsiert« gewesen, erinnert sich Spector, »sie reagierten aggressiv«. Alle Piloten wurden kaltgestellt und »durften seitdem nicht mehr fliegen«. Luftwaffenkommandeur Dan Halutz erwog sogar, die Piloten wegen Befehlsverweigerung der Militärjustiz zu überantworten, entschied sich dann aber für einen anderen Weg: Auf seine Initiative hin bezogen Hunderte von Piloten der Air Force gegen die Opponenten aus den eigenen Reihen Stellung, warfen ihnen Illoyalität gegenüber dem jüdischen Staat vor. Einige von Iftach Spectors Mitstreitern zogen daraufhin ihre Unterschrift zurück, andere, die sich standfest zeigten, wurden in ihren zivilen Jobs gemobbt.
    Es gab indes auch hochrangige Kritiker in den Streitkräften, die den Kollateralschaden der Shehade-Exekution für nicht gerechtfertigt hielten. IDF-Generalstabschef General Moshe Yaalon bekannte später, ihm sei es damals vorgekommen, als falle ihm »eine schwere Last auf den Kopf«. Den möglichen Tod der Shehade-Ehefrau Laila habe er zwar autorisiert, aber nicht die Tötung von Nachbarn und schon gar nicht von Kindern. Auch General Amos Yadlin, Chef des Militärgeheimdienstes Aman, will am Morgen nach der Operation in eine Schockstarre gefallen sein, als er über die Toten informiert wurde. Noch am selben Tag habe er den Philosophieprofessor Asa Kasher angerufen, um mit ihm an ethischen Richtlinien im Kampf gegen den Terrorismus zu arbeiten; außerdem wurde ein Mathematiker gebeten, eine Formel zu entwickeln, wie viele zivile Opfer auf einen toten Terroristen akzeptabel sein könnten. Exekutionsalgebra. Die Experten kamen später tatsächlich zu einer Zahl von 3,14 toten Zivilisten auf einen toten Terroristen; wenn es sich bei den Zivilisten um Kinder handele, liege die Quote niedriger.
    Anfang September 2003 dann fast eine Duplizität der Ereignisse. Und dabei spielten Moshe Yaalon und Avi Dichter, der Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet, die entscheidenden Rollen. Die amerikanische Journalistin Laura Blumenfeld hat die Geschichte für die Washington Post akribisch recherchiert.
    In den Morgenstunden des 5. September geht im Hauptquartier des Shin Bet an

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