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Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Titel: Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egmont R. Koch
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strotzenden Politiker, eine Schande. »Bibi« hatte sein Gesicht verloren, nicht nur vor König Hussein, sondern vor der ganzen Welt.
    Das Desaster bedeutete auch das vorübergehende Ende der Netanjahu-Doktrin vorsorglicher Hinrichtungen. Eine Besinnungspause schien dringend geboten. Erst sein Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten, der ab 1999 regierende Ehud Barak von der Arbeiterpartei, ein langgedienter, hochdekorierter militärischer Haudegen, bestätigte imNovember 2000, dass es in Israel »eine Politik der gezielten Tötungen« gebe. Seine Begründung: Hinrichtungen seien als Notwehr nach internationalem Recht zulässig, weil die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) nicht in der Lage oder nicht willens sei, Selbstmordanschläge auf israelischem Gebiet zu verhindern oder wenigstens zu verfolgen.
    Hintergrund der Entscheidung, die Exekutionspolitik öffentlich zu machen und dadurch deren abschreckende Wirkung zu erhöhen, war der Beginn der Zweiten Intifada am 29. September 2000. Der gewaltsame Aufstand jugendlicher Palästinenser gegen die israelische Besatzungsmacht ging zunächst von Jerusalem und dem Westjordanland aus und dehnte sich später auf den Gaza-Streifen aus.
    Im April 2002, ein halbes Jahr nach dem 11. September, dem Tag, der die Welt veränderte, legten Juristen der israelischen Armee vier Bedingungen für Exekutionen palästinensischer Terroristen fest.
    1. Es muss gesicherte Informationen geben, dass die Zielperson in der nahen Zukunft einen Anschlag plant oder ausführen will;
    2. das Verfahren zur Durchführung einer Exekution darf nur in Gang gesetzt werden, wenn die Aufforderung an die Palästinensische Autonomiebehörde (PA), den Terroristen gefangen zu nehmen, von dieser ignoriert wurde;
    3. Versuche, den Verdächtigen durch IDF-Kommandos festnehmen zu lassen, müssen fehlgeschlagen sein;
    4. die Hinrichtung darf keine Vergeltung für zurückliegende Anschläge darstellen, sondern muss immer die Verhinderung zukünftiger Anschläge zum Ziel haben, die sonst viele Opfer kosten würden.
    Das entsprach ziemlich genau »Bibis« Doktrin von präventiven Mordanschlägen an palästinensischen Terroristen, die er für »tickenden Zeitbomben« hielt, an die er sich allerdings im Falle Meshal selbst nicht gehalten hatte. Auch bliebdie juristische Vorgabe in vielerlei Hinsicht recht schwammig, ließ Hintertürchen auf. So fand die Frage, ob bei außergerichtlichen Hinrichtungen auch Unbeteiligte geopfert werden dürfen, und wenn ja, wie viele, keinen Eingang in die Kriterien. Wären zwei oder drei zivile Opfer akzeptabel? Oder mehr? Frauen und Kinder? Die Entscheidung darüber, was angemessen und verhältnismäßig ist, sollte offenbar den Militärs in der jeweiligen Situation überlassen werden. Für ihr Mordprogramm benötigten die israelischen Streitkräfte eine gewisse Flexibilität, wie sich schon bald herausstellen sollte.

Exekutions-Algebra – der Fall Yassin
    »Oh, Hunderte, Hunderte! Ich hatte alle die Details … auf dem Tisch. Wo lebt er? Ist er verheiratet? Wie viele Kinder hat er? Wenn er viele Kinder hatte, ging mir das besonders durch den Kopf. … Es wurde zur Routine, auf den Fotos in ihre Augen zu sehen. … Der eine sah naiv aus, der andere nett, wie ein Babyface … Es ist jenseits der Vorstellungskraft!«
    General a. D. Moshe Yaalon, Generalstabschef der israelischen Streitkräfte zwischen 2002 und 2005, auf die Frage, wie viele Palästinenser er habe töten lassen
    In der Nacht vom 22. auf den 23. Juli 2002 fliegen zwei F-16 Jets der israelischen Luftwaffe in dreitausend Meter Höhe über das palästinensische Territorium des Gaza-Streifens hinweg. Ein Routineeinsatz im Krieg gegen die Hintermänner der Intifada. Die Wetterlage ist stabil, die Koordinaten sind programmiert. Als einer der beiden Piloten die mächtige Bombe ausklinkt, verspürt er ein leichtes Zittern in der Tragfläche, dann gleitet die Maschine weiter durch den sternenklaren Nachthimmel. Eine Tonne Sprengstoff rast, zielgenau gesteuert, auf ein Haus am Stadtrand von Gaza-City zu. Der Einschlag ist so verheerend, dass nicht nur daseigentliche Angriffsziel, sondern auch acht Häuser in der Nachbarschaft komplett zerstört, neun weitere Gebäude stark beschädigt werden. 15 Menschen sterben in den Trümmern, mindestens fünfzig werden schwer verletzt.
    Der Angriff galt Salah Mustafa Shehade, der den militärischen Flügel der Hamas leitete und zahlreiche Anschläge in Israel organisiert hatte. 220

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