Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
keine gute Idee, der Chef des Militärgeheimdienstes allerdings unterstützt Baraks spontan formulierten Plan B.
Mittlerweile ist es nach 12 Uhr. Die Drohne hat al-Mussawis Fahrzeugkolonne weiterhin im Fokus. Noch bewegt sie sich in ländlichen Regionen, aber sobald sie ins belebte Beirut zurückkehrt, wäre das Risiko zu hoch, dass bei einem Raketenangriff auch die libanesische Zivilbevölkerung zu Schaden käme. Das verbleibende Zeitfenster für eine Exekution ist klein. In aller Eile versucht Ehud Barak, die Zustimmung seines Verteidigungsministers Moshe Arens einzuholen, den er gegen 14 Uhr endlich ans Telefon bekommt. »Wenn wir ihn schon im Visier haben, lass es uns machen!«, sagt Arens. Ein halbe Stunde später gibt auch Regierungschef Yitzhak Shamir sein Einverständnis. Barak lässt daraufhin zwei Apache-Kampfhubschrauber von einer Basis in Nord-Israel aufsteigen. Die Piloten erhalten den Befehl, allevier Fahrzeuge abzuschießen. Barak will ganz sichergehen. Gegen 16 Uhr feuern die beiden Helikopter mehrere Raketen ab, nach wenigen Sekunden ist alles vorbei.
Am Tag nach der Hinrichtung liefen Bilder von den rauchenden Überresten des Konvois, in denen al-Mussawi, seine Frau, sein sechsjähriger Sohn und fünf seiner Bodyguards den Tod fanden, auf Fernsehschirmen in der ganzen Welt. Einer der beteiligten Apache-Piloten meldete sich später zu Wort, es sei für ihn »ein Kinderspiel« gewesen, die »schönen schwarzen Mercedes Limousinen« zu treffen, die Ziele hätten in unbewohntem Gebiet gut sichtbar vor ihm gelegen, wie auf einem Präsentierteller.
Wussten Ehud Barak und sein Generalstab, dass al-Mussawi in Begleitung seines sechsjährigen Sohnes unterwegs war, als sie den Befehl zum Abschuss gaben? Der israelische Journalist Ronen Bergman behauptet, es gebe ein Video-Interview mit einem Agenten der Unit 504. Diese Einheit ist innerhalb des Militärgeheimdienstes Aman für die Führung von Spitzeln in den arabischen Nachbarländern zuständig und wird deshalb mitunter als »Mini-Mossad« bezeichnet. In der Aufnahme, die bis heute in einem Safe unter Verschluss liege, versichere der Agent der Unit 504 nachdrücklich, er habe seine Vorgesetzten gewarnt, in al-Mussawis Begleitung seien auch dessen Frau Siham und beider Sohn Hussein, schreibt Bergman.
»Wenn sie tatsächlich wussten, dass sie auf al-Mussawi und sein Kind schossen, war es ungesetzlich und unmoralisch«, empört sich Iftach Spector, ehemaliger Brigadegeneral der Luftwaffe, der lange unter Barak gedient hat. Spectors Wort hat Gewicht, er ist in Israel noch zu Lebzeiten eine Fliegerlegende. Im Sechstage- und im Yom-Kippur-Krieg schoss er als Kampfpilot zwölf feindliche Maschinen ab, er war beteiligt an der Mission im Juni 1981, als eine Staffel das irakische Kernkraftwerk Osirak in Schutt und Asche legte(»Operation Opera«), er flog als Reservist bis ins hohe Alter von 63 Jahren und befehligte zuletzt zwei Luftwaffenbasen.
Spector plädiert keineswegs gegen Hinrichtungen palästinensischer Terroristen. Im Gegenteil: Wenn »die gezielte Tötung von Kriminellen notwendig ist, sollten wir alles dafür einsetzen, was wir haben!« Aber das Leben von Kindern dürfe dabei in keinem Fall aufs Spiel gesetzt werden, schon gar nicht wissentlich. »In meinem Sprachverständnis«, stellt Spector klar, »ist die vorsätzliche Tötung unschuldiger Menschen Mord!« Asa Kasher, der Philosophieprofessor und Ethikberater der israelischen Armee, widerspricht: Zugegeben, es handele sich um »eine fürchterliche Situation, eine Tragödie!« Aber wenn die Regierung glaube, die »Verhältnismäßigkeit« sei gewährleistet, dann müsse sie unter Umständen »Dinge anordnen, die die Tötung eines Kindes einschließen«.
Aber war es tatsächlich »verhältnismäßig«, mit dem Hisbollah-Chef auch dessen Familie auszulöschen? War es »angemessen«? Die Konsequenzen jedenfalls waren fürchterlich für Israel. Zunächst antwortete die Hisbollah mit einem fünftägigen Dauerfeuer von Katjusha-Raketen auf den Norden Israels, bei dem ein sechsjähriges Mädchen ums Leben kam. Am 7. März 1992 starb Ehud Sadan, Vertreter des Geheimdienstes Shin Bet an der israelischen Botschaft in Ankara, bei einem Bombenanschlag, zu dem sich der Islamische Dschihad und die Hisbollah bekannten. Aber auch das war erst der Anfang.
Am 17. März 1992 flog ein mit Sprengstoff bepackter und von einem Selbstmordattentäter gesteuerter LKW vor der israelischen Botschaft in Buenos Aires in die
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