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Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Titel: Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egmont R. Koch
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Geheimdienstchef beharrt auf der »großen Lösung«, so eine Gelegenheit komme nie wieder. Ein alter Konflikt bricht auf. Yaalon und Dichter haben viele Jahre bei geheimen Kommandooperationen zusammengearbeitet, aber ihre Überzeugungen waren nie zur Deckung zu bringen. »Israel kann das Problem Terrorismus nicht lösen, indem wir Terroristen umbringen. Wir lösen das Problem durch Ausbildung«, schimpfte Yaalon noch Jahre später, »wenn Dichter glaubt, wenn wir töten, töten, töten, töten, dann haben wir gewonnen, konnte und kann ich das nicht akzeptieren!«
    Streit, als die Bomber schon kreisten: Generalstabschef Moshe Yaalon (rechts) widersetzte sich seinem Kollegen Avi Dichter, um einen unverhältnismäßig großen Kollateralschaden zu vermeiden.
    Der Streit dauert nun schon über mehr als eine Stunde, ist zwischenzeitlich heftiger und lauter geworden. Während die Hamas-Führungselite tagt und die F-16 über dem Mittelmeer kreisen, sehen sich die Kontrahenten außerstande, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Yaalon: »Wie können wir unseren Piloten noch in die Augen schauen, wenn sie unschuldige Menschen töten?« – Dichter: »Und wenn die Terroristen da wieder rausmarschieren, und morgen explodiert wieder ein Bus, wie können wir das unseren Leuten klarmachen?« Legte man den ominösen Faktor 3,14 zugrunde, müssten acht tote Topterroristen den Tod von 25 Zivilisten legitimieren. Doch das will Yaalon auf keinen Fall akzeptieren. Sie rufen Premierminister Ariel Sharon an, erreichen ihn auf dem Kindergeburtstag seines Enkels. Sharon teilt Yaalons Bedenken. Die Operation wird abgebrochen.
    Doch Avi Dichter gibt sich nicht geschlagen, er nennt den Rückzieher später »unprofessionell und ungerechtfertigt«. Es ist inzwischen 16 Uhr, und der Hamas-Gipfel dauert noch immer an, jedenfalls hat keiner der Teilnehmer das Haus bislang verlassen. Es meldet sich ein Agent im war room , der eine zusätzliche Information hat. Im dritten Stock des Gebäudes von Abu Ras seien die Vorhänge zugezogen, vermutlich finde das Geheimtreffen dort statt. Für das oberste Geschoss würde sogar eine 250-Kilo-Bombe reichen. Keine zivilen Opfer, ein chirurgischer Schnitt. Dichter hängt sich sofort ans Telefon. Sein Widersacher Yaalon willigt in den Kompromiss ein, auch Sharon ist einverstanden. »Operation Automatic Gear« bekommt eine zweite Chance.
    Jetzt geht alles sehr schnell. Innerhalb von zwei Minuten röhrt ein Kampfjet in großer Höhe über das Haus im Gaza-Streifen. Yaalon und sein Luftwaffenkommandeur Halutz beobachten auf dem Livebild der Drohne, wie die Bombe einschlägt. Doch dann nehmen ihnen dichte Staubwolken jede Sicht. »Ziel getroffen?« fragt Halutz über seinen Kopfhörer den Piloten der F-16. »Direkter Treffer!« Es vergingen lähmende zwei, drei Minuten, bis die Aschewolke sich verzogen hatte, erinnert sich Avi Dichter, und dann »sahen wir alle Terroristen aus dem Haus stürmen«.
    »Es fühlte sich wie ein Erdbeben an«, erzählt Gastgeber Abu Ras später, »Haniyeh servierte gerade Reis, als das Gebäude zu wackeln begann«. Ahmad Yassin habe aus seinemRollstuhl erstaunt an die Decke gestarrt und gefragt, wo dieser Staub plötzlich herkomme. »Wir wurden getroffen, Scheich!«, entgegnete Ismail Haniyeh mit bitterem Lachen.
    Die acht Hamas-Terroristen hatten im Erdgeschoss zusammengesessen, als die Bombe fiel und, wie von den Israelis berechnet, nur das oberste Stockwerk zerstörte, das aber nur als Lagerfläche genutzt wurde. Auch die Ehefrau von Abu Ras und deren vier Kinder, die sich in der zweiten Etage aufhielten, kamen mit dem Schrecken davon. Natürlich sei die Enttäuschung riesig gewesen, als Scheich Yassin wieder in seinem Rollstuhl vor dem Haus erschien, sagt Dan Halutz. Im Rückblick »würde ich sagen, wir hätten damals die schwerste Bombe nehmen sollen, um sicher zu gehen, dass die komplette Führungsmannschaft eliminiert wird«, aber es sei eben nach der folgenreichen Shehade-Exekution »eine moralische Entscheidung« getroffen worden.
    Am 22. März 2004, ziemlich genau ein halbes Jahr nach der fehlgeschlagenen Hinrichtung der Hamas-Spitze, wurde der 67-jährige Scheich Ahmad Yassin doch noch exekutiert. Als er nach dem Morgengebet in einer Moschee in Gaza-City zu seinem Auto geschoben wurde, schlug die Hellfire-Rakete eines israelischen Apache-Kampfhubschraubers direkt neben seinem Rollstuhl ein. Unmittelbar vor dem Anschlag waren mehrere F-16-Jets der Air Force im Tiefflug über

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