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Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Titel: Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egmont R. Koch
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seinem Büro kommen. Spontan beschließt er, das Schicksal auf die Probe zu stellen, wie bei einem Orakel. Wenn Bandera nicht bis exakt 13 Uhr zurück sein würde, wäre das Zeitfenster geschlossen und sein Auftrag erledigt: »Kommt er bis dahin, muss ich es tun, … zurücktreten kann ich nicht. Ich kann beobachtet werden. Bleibt er aus, so gehe ich weg«, wird er später gegenüber der Staatsanwaltschaft aussagen.
    Doch Bandera kehrt rechtzeitig zurück. Seine Hoffnung weicht dem Zwang, nun handeln zu müssen. Vom selben Moment an, so wird er später vor Gericht bekennen, sei »eine Art von zielsicherer Automatik« in ihm abgelaufen. Er schießt ihm die Blausäure ins Gesicht, atmet das Gegengift aus der Ampulle ein und wirft die Tatwaffe erneut in den Köglmühlbach.
    Banderas Todeskampf dauert einige Minuten. Sein Leichnam wird unverzüglich in die Gerichtsmedizin geschickt, dabei werden Gesichtsverletzungen durch Glassplitter und eine Vergiftung durch Blausäure festgestellt. Die Lubjanka beglückwünscht ihn zu seinem Erfolg, man ist in Moskau zufrieden mit dem Ergebnis – nicht so sehr mit der innovativen Methode, die offenbar doch Spuren hinterlassen kann. Im sowjetischen Sperrgebiet Karlshorst wird er von einem General empfangen. »Stehend und mit einem Glas Kognak in der Hand« spricht er einen kurzen Toast auf den Agentenund kündigt dann die Verleihung des Kampfordens »Roter Banner« an. Staschinski macht gute Mine zum bösen Spiel. Kurz vor der Begegnung in Karlshorst hat er in der Wochenschau Aufnahmen von der offenen Aufbahrung Banderas gesehen.
    »Als er das krampfartig entstellte Gesicht der Leiche sah, durchfuhr ihn ›wie ein Hammerschlag, nein wie ein Schock‹, was er ›sich aufs Gewissen geladen‹ hatte. Aufgewühlt und verstört … verliess er das Kino … Er nahm sich fest vor, fortan nie mehr einen Tötungsauftrag durchzuführen«, heißt es im Urteil des Bundesgerichtshofes vom 19. Oktober 1962. Ende November 1959 wird Staschinski nach Moskau gerufen. Seine Vorgesetzten wollen ihm nicht nur seinen Orden umhängen, sondern auch die geplante Heirat mit seiner deutschen Freundin ausreden. Sie legen ihm nahe, »noch einmal reiflich zu überlegen«, und er weiß in derselben Sekunde, dass dies »in der KGB-Sprache« heißt, er habe »in aller Kürze die Trennung von seiner Braut zu melden« (so Staschinski später vor Gericht). Doch er widersetzt sich hartnäckig, und am Ende willigt sein Arbeitgeber unter der Bedingung ein, dass er mit ihr nach Moskau übersiedelt.
    In Moskau bezieht das junge Paar im Mai 1960 eine kleine Wohnung, die, wie die beiden bald herausfinden, verwanzt ist. Die Lubjanka hört mit, misstraut seinem Killer offenbar. »Daraufhin besprachen sie sich über Wichtiges nur noch mit Hilfe von Zetteln und auf Spaziergängen«, heißt es im Urteil des Bundesgerichtshofs. Im September informiert Staschinski seinen KGB-Offizier über die Schwangerschaft seiner Frau, der sofort eine Abtreibung verlangt, »sonst aber müssten sie es in ein Heim geben und dort aufwachsen lassen«. Anfang Januar 1961 wird der Ehefrau erlaubt, ihre Eltern in Berlin zu besuchen. Statt nach zwei Wochen zurückzukehren, täuscht sie Schwangerschaftskomplikationen vor, um den Aufenthalt bis zur Entbindung zu verlängern. Am31. März 1961 wird der Sohn Peter geboren, Staschinski erfährt davon durch ein Telegramm. Die Lubjanka ist inzwischen über die psychische Verfassung ihres Agenten äußerst besorgt. Jetzt rächt sich, dass Staschinski nicht unter psychologischen Gesichtspunkten als Vollstrecker ausgewählt wurde, sondern weil er aus der ukrainischen Szene stammte.
    Die Situation verschlimmert sich noch, als der kleine Peter plötzlich erkrankt und am 9. August 1961 verstirbt. Das KGB genehmigt eine kurze Reise seines Agenten zur Beerdigung seines Sohnes. Der Flug soll in einer Militärmaschine und mit Begleitung eines Offiziers erfolgen. Die großzügige Handhabung liegt auch im Interesse des Geheimdienstes, weil sonst womöglich unvorsichtige Äußerungen der geschwächten Ehefrau zu befürchten sind. Die Nächte müssen sie im Sperrgebiet von Karlshorst verbringen.
    Insgeheim haben die beiden längst Fluchtpläne geschmiedet. Doch sie stehen unter ständiger Beobachtung, die sicherlich nach der Beerdigung ihres Kindes noch verstärkt werden würde. »Daraufhin beschlossen sie, auf der Stelle, noch vor der Beerdigung ihres Kindes, zu fliehen. Sie verliessen das möblierte Zimmer der Ehefrau, die

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