Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
offenbar Schlagzeilen vermeiden, die den politischen Gesprächen abträglich sein könnten. Insbesondere Mahmoud Abbas müsste es als Affront verstehen, wenn kurz vor oder während seiner Visite in Jerusalem gewissermaßen hinter seinem Rücken ein Palästinenser von israelischen Spezialeinheiten ermordet würde.
Am 20. Juni, zwei Monate später und mit gehörigen Abstand zu den hochrangigen politischen Treffen in Jerusalem, wurde die Hinrichtung Ziad Maleishas vollzogen.
Wenn aus »diplomatischen Gründen« eine geplante Exekution zurückgestellt werden könne, sei die Begründung, es handele sich bei den Zielpersonen um »tickende Bomben«, die unmittelbar vor neuen Anschlägen stünden, unzutreffend, sagt Uri Blau, denn die Uhr eines Zeitzünders ticke unaufhörlich und »mache keine Pause, nur weil Condi Rice imLande ist«. Der in Deutschland geborene israelische Völkerrechtler Mordechai Kremnitzer pflichtete ihm bei: »Nach meinem Rechtsverständnis sind Hinrichtungen, die man … offenbar problemlos von heute auf morgen oder übermorgen verschieben kann, gegen das Gesetz.«
Ausgangspunkt für die Operation »Two Towers« war das Büro von Generalmajor Yair Naveh, damals Chef des Central Commands der IDF. Der wurde von Uri Blau im Zusammenhang mit der geplanten Veröffentlichung in Haaretz befragt, ob denn die Hinrichtung Maleishas in Einklang mit den Bestimmungen des höchsten israelischen Gerichts gestanden habe. »Nerven Sie mich nicht mit den Bestimmungen des High Courts«, herrschte Naveh den Journalisten an, »ich habe keinen Schimmer, wann die Richtlinien gelten und wann nicht. Ich weiß, dass eine gezielte Exekution als ›vorsorglicher Schlag‹ bestätigt wurde und dass ich entsprechende Befehle erhielt. … Solche Entscheidungen gehen hoch bis zum Premierminister. Und was entschieden ist, ist entschieden.«
Nachdem Uri Blau im November 2008 über die Hintergründe der Hinrichtung von Ziad Maleisha und Ibrahim al-Latif Abed berichtet und dabei zwei geheime Vermerke der IDF-Operation »Two Towers« veröffentlicht hatte, die einen klaren Bruch der Bestimmungen des High Courts belegten, begannen sofort interne Ermittlungen nach seiner Quelle. In Israel unterliegen Veröffentlichungen über militärische Angelegenheiten einer vorherigen Zustimmung durch den Militärzensor, der aber erstaunlicherweise keine Einwände gegen eine Publikation vorgebracht hatte.
Blau erwartete in den Tagen nach der Veröffentlichung eigentlich einen Aufschrei über die Exekutionspraxis der IDF, doch er sah sich getäuscht. Viele Israelis kritisierten ihn vielmehr als Verräter, der das Geschäft der Feinde des Landes betreibe; nicht einmal alle Kollegen zeigten sich solidarisch, beschuldigten Blau der Illoyalität gegenüber seinem Land. Und es begann eine Art Psychoterror gegen den Journalisten. Während einer Auslandsreise wurde in seine Wohnung eingebrochen, seine Unterlagen durchwühlt und seine Schränke durchsucht.
Ein Jahr dauerten die internen Untersuchungen der Streitkräfte, dann war die undichte Stelle gefunden: Die 21-jährige Anat Kamm hatte während ihrer Militärzeit als Assistentin im Büro von Generalmajor Naveh gearbeitet, über Monate hinweg mehr als zweitausend teils streng geheime Dokumente auf mehrere CDs kopiert und die Datenträger nach dem Ende ihrer Dienstzeit Uri Blau zugespielt, den sie bis dahin nur aufgrund seiner Berichte als unerschrockenen Journalisten kannte. In dem IDF-Material ging es keineswegs nur um die Operation »Two Towers«. Es handelte sich, wie die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen belegten, um einen gigantischen Diebstahl sicherheitsrelevanter Informationen, Stoff für viele kritische Artikel. Das bereitete den Militärs die größten Sorgen. Die Weitergabe der Dokumente war unzweifelhaft als Spionage zu werten.
Im Dezember 2009 wurde Anat Kamm heimlich vom Geheimdienst Shin Bet verhaftet und intensiven Verhören unterzogen, gleichzeitig erließ die Staatsanwaltschaft eine sogenannte »gag order«, ein striktes Verbot, über Kamms Verhaftung und deren Hintergründe öffentlich zu berichten. Während sich die israelische Presse an das Zensurdiktat hielt, gelangten Informationen über Blogger ins Ausland, wo sie von internationalen Medien aufgegriffen wurden. Daraufhin machten sich auch israelische Journalisten für eine Aufhebung der Pressesperre stark, die aber erst im April 2010 erfolgte, nach der Fertigstellung der Anklage gegen Anat Kamm.
Uri Blau hatte im September
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