Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
2009 eine schriftliche Verabredung mit dem Shin Bet getroffen und dabei in die Rückgabe der Dokumente und die Zerstörung seines Laptops eingewilligt; im Gegenzug war ihm von der Armee zugesichert worden, nicht gegen seine Informantin vorzugehen. Ihre Verhaftung betrachtete er daher als »falsches Spiel« der israelischen Sicherheitsorgane. Allerdings musste er später einräumen, nicht alle Unterlagen herausgerückt beziehungsweise Kopien zurückbehalten zu haben. Nach seinem Deal mit dem Geheimdienst brach Blau zu einer lange geplanten Reise durch Asien auf, ohne zu ahnen, dass sich die Schlinge um den Hals seiner Informantin bereits zuzog. Als er erfuhr, dass Anat Kamm aufgeflogen war, beschloss er, zunächst im Ausland den Ausgang ihres Verfahrens abzuwarten. Er befürchtete, dass die Regierung den Fall hoch hängen würde, um mögliche Nachahmer abzuschrecken. Er könnte deshalb ebenfalls verklagt werden.
Anfang Februar 2011 bekannte sich Anat Kamm nach einer Verabredung mit der Staatsanwaltschaft (»plea bargain«) vor dem Bezirksgericht in Tel Aviv schuldig, Vermerke und Berichte des Central Command der IDF heimlich kopiert und gestohlen zu haben. »Als ich die CDs brannte, dachte ich, dass die Historie Leuten verzeiht, die Kriegsverbrechen aufdecken«, hatte sie schon bei einer ihrer Vernehmungen als Entschuldigung angeführt. Das Geständnis ersparte ihr eine Verurteilung wegen Spionage und Gefährdung der Staatssicherheit, die womöglich eine lebenslange Strafe zur Folge gehabt hätte. So erhielt sie viereinhalb Jahre Gefängnis wegen der Weitergabe klassifizierter Informationen.
Im Oktober 2010 kehrte Uri Blau nach Israel zurück und nahm wieder seine Arbeit als Reporter der Tageszeitung Haaretz auf. Doch auch für ihn war die Geschichte noch keineswegs ausgestanden, da die Regierung, wie befürchtet, auch an ihm ein Exempel statuieren wollte. Der Journalist wurde »wegen des Besitzes geheimer IDF-Unterlagen« angeklagt. Mit Hilfe der von Haaretz verpflichteten Verteidiger schloss Blau im Juli 2012 einen Handel mit der Staatsanwaltschaft, willigte ein, vier Monate Arbeit im Dienste des Gemeinwohls abzuleisten; das ersparte ihm eine Haftstrafe. Dieses sei leider »ein wegweisendes Urteil« gegen einen Journalisten, »der nur seinen Job gemacht hat«, kritisierte Haaretz -Anwalt Jack Hen den Deal. »Dem Informationsrecht der Öffentlichkeit und der Pressefreiheit wurde ernsthafter Schaden zugefügt.« Es war ein weiterer Beleg dafür, dass der Sicherheit des Staates Israel immer größere Bedeutung beigemessen wird als der Durchsetzung des Rechtsstaats: Die Generäle brechen mit ihren »vorsorglichen Schlägen« die Vorschriften des höchsten israelischen Gerichts und müssen keine Konsequenzen fürchten, stattdessen werden Journalisten bestraft, die über solche Verstöße berichten.
Abschreckung als Strategie: Im Februar 2011 wurde die 21-jährige Anat Kamm wegen Verrats militärischer Geheimnisse zu viereinhalb Jahren veruteilt, die Strafe später vom Supreme Court um ein Jahr reduziert.
DAS TÖTEN DER ANDEREN
Nasse Sachen – der Fall Staschinski
»Wie ein Alpdruck lag es auf mir, dass ich nun einen ahnungslosen Menschen töten sollte. Ich rannte wie in einem Käfig umher. Ich wusste zwar, dass man nicht töten darf, aber ich konnte mich doch nicht gegen den Befehl meiner Vorgesetzten auflehnen. Ich wusste ja, in welcher Organisation ich war.«
Geständnis des KGB-Agenten Bogdan Staschinski, 1961
Der Jargon entstammte dem Kalten Krieg und illustrierte die tödliche Schlüpfrigkeit des Gewerbes: Wenn osteuropäische Agenten ausrückten, um »nasse Sachen« zu erledigen, dann ging es meist um Showdowns mit feindlichen Kräften oder hinterhältige Attentate. Irgendjemand hatte beschlossen, dass irgendjemand der Gegenseite liquidiert, neutralisiert oder entsorgt werden musste. Gute Gründe gab es fast immer. Am Ende lagen dann die jeweiligen Opfer, von Geschossen durchsiebt, im Straßenstaub oder in einer Blutlache, was der Ursprung des Begriffs »nasse Sachen« gewesen sein dürfte.
Der Bezeichnung blieben die Killer von KGB, Stasi & Co. auch dann treu, als sich das Tötungsmittel ihrer Wahl längst verändert hatte. Nicht mehr Schießgeräte aller Art standen ganz oben, obwohl sie nie ganz aus der Mode kamen, sondern toxische Substanzen. Ähnlich wie in den Vereinigten Staaten unter dem CIA-Chemiker Sidney Gottlieb (siehe S. 54), entdeckten auch ihre osteuropäischen Counterparts früh den
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