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Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Titel: Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egmont R. Koch
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Elitehochschule des sowjetischen Militärs in Moskau absolviert und danach einen Job im neunten Direktorat des KGB erhalten, das damals für den Personenschutz hochrangiger Kreml-Offizieller verantwortlich war. Nach dem Fall des sowjetischen Imperiums wechselte Kowtun in Russland ins »private Sicherheitsgeschäft«, was eine ziemlich unpräzise Beschreibung von Aufgaben darstellt und eine ziemlich breite Palette von Tätigkeiten umfassen kann.
    Als der frühere KGB-Mann aus dem Hamburger Terminal kommt, wird er bereits von einem BMW erwartet, vermutlich sitzt seine russisch-deutsche Ex-Ehefrau Marina W. am Steuer. Das Ziel ist ihre Wohnung in der Erzberger Straße in Hamburg-Ottensen, wo Kowtun auch übernachtet. DerRusse besitzt in dem Mehrfamilienhaus sogar zwei Wohnungen, eine, in der W. wohnt, und eine weitere, die seit Jahren vermietet ist.
    Wo immer sich Kowtun in diesen Tagen aufhält, hinterlässt er Spuren, extrem winzige zwar, die aber später eindeutig nachzuweisen sind: Polonium-210. Dabei handelt es sich um alles andere als einen Allerweltsstoff, Po-201 entsteht ausschließlich beim Betrieb von Kernkraftwerken und anderen Atomanlagen. Man kann es also nicht in einer Fachhandlung kaufen, allenfalls auf dem Schwarzmarkt. Solange man nur äußerlich mit Polonium in Berührung kommt, sind die Folgen begrenzt, weil die oberste Hautschicht aus abgestorbenen Zellen wie ein Schutzschirm wirkt. Gelangt der extrem radioaktive Stoff dagegen in den Körper, gibt es kaum noch Rettung. Die ersten Symptome entsprechen denen einer Strahlenkrankheit: Haarausfall, Diarrhoe, Anämie, Blutungen aus Nase und Mund; nach und nach werden die Organe angegriffen, der Betroffene wird immer schwächer, medizinische Hilfe kommt in diesem Stadium schon zu spät. Polonium-210 gilt, so gesehen, als tödliche Waffe, wenn es gelingt, das Gift in den Körper des Delinquenten zu schleusen.
    Schon als Kowtun in Hamburg eintrifft, ist er mit Polonium »verseucht«. Als später seine Wege in der Hansestadt nachvollzogen werden, stoßen die Spezialisten des Bundeskriminalamts überall auf Spuren – in Autos, Kleidung, Mobiliar, mit denen er in Berührung gekommen ist. Es seien offenbar nicht nur oberflächliche Anhaftungen gewesen, erklärte der damalige Chef der Sicherheitsabteilung im Bundesministerium des Innern und spätere BND-Präsident, Gerhard Schindler, sondern der Russe sei erheblich kontaminiert gewesen und habe das Polonium über seine Poren ausgeschwitzt.
    Am 1. November 2006 fliegt Kowtun um 6.40 Uhr mit einer Frühmaschine nach London weiter. Ein paar Stunden später trifft er sich an der Pine Bar des Millenium Hotels in Mayfair mit zwei anderen Russen zum Tee: mit Alexander Litwinenko und seinem Jugendfreund Andrej Lugowoi, für dessen Sicherheitsdienste er tätig ist. Alle drei haben früher für das KGB gearbeitet, allerdings hat Litwinenko bereits acht Jahre zuvor begonnen, den Kreml und den russischen Nachfolge-Geheimdienst FSB öffentlich zu kritisieren, wohingegen Lugowoi und Kowtun offenbar noch immer in dessen großem Schattenreich agieren, auch wenn ihre Visitenkarten sie heute als Geschäftsleute ausweisen.
    Vertrauliche Nachricht: Bericht des amerikanischen Generalkonsulats in Hamburg an das State Department in Washington über die vom mutmaßlichen Attentäter Kowtun hinterlassenen Polonium-Spuren.
    Der damals 37-jährige Alexander (»Sascha«) Litwinenko wurde im März 1999 in Moskau verhaftet, im November des Jahres freigesprochen, aber noch im Gerichtssaal erneut festgenommen. Nach seiner Entlassung begannen offenbar FSB-Offiziere, die Netzbeschmutzer gar nicht mögen, ihn zu schikanieren und zu bedrohen. Litwinenko floh nach London, ersuchte um politisches Asyl, das ihm und seiner Familie im Mai 2001 gewährt wurde. Er arbeitete in der Folgezeit als Journalist, verdingte sich offenbar auch beim britischen Auslandsgeheimdienst MI6, zog weiter öffentlich über den russischen Präsidenten Wladimir Putin her, verstieg sich dabei auch zu eher absurden Vorwürfen wie jenem, Putin sei pädophil. Im Oktober 2006, kurz vor seiner folgenschweren Verabredung in der Hotelbar, erhielt Litwinenko die britische Staatsbürgerschaft.
    Worum es bei dem Treffen tatsächlich ging, ist bis heute nicht gesichert. Sicher dagegen scheint den britischen Ermittlungsbeamten, dass Lugowoi oder Kowtun, oder beide zusammen, ihrem Gesprächspartner das farb- und geschmacklose Polonium-210 in einer letalen Dosis in den Tee bugsierten.

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