Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
(»Mischa«) Wolf, Mielkes Stellvertreter, die Sache logistisch und technisch unterstützt. England ist schließlich Feindesland. Mischa sagt zu.
Während Welsch in Calais auf die Fähre wartet, telefoniert Haack heimlich – so wird sich später herausstellen – mit Ost-Berlin. Er gibt die Ankunftszeit des Schiffes durch und bekommt die verklausulierte Anweisung, fünf Meilen vor dem Autobahnkreuz Dartford dafür zu sorgen, dass der Kleinlaster nicht schneller als fünfzig Meilen pro Stunde fährt.
An der besagten Stelle bittet Haack seinen Freund, das Tempo wegen der Polizeikontrollen zu drosseln. »Ich nahm etwas Gas weg, und das Dieselgeräusch ging … in ein sonores Brummen über. Wenig Verkehr … Einen Moment ging ich ganz vom Gas. Ich wollte meine Pfeife aufheben. Die war schon vor einiger Zeit vom Sitz gerutscht und hatte mich die ganze Zeit am Boden gestört. Mit meinen Schuhen ertastete ich sie … Ich bückte mich, um die Pfeife aufzuheben. In diesem Moment tat es einen Schlag. Mit der Pfeife in der Hand tauchte ich wieder nach oben. Die Frontscheibe knisterte. Von dem kreisrunden Loch in der Windschutzscheibe breiteten sich scharfe Linien spinnennetzförmig nach allen Seiten aus«, schreibt Wolfgang Welsch in seinem Buch »Ich war Staatsfeind Nr. 1«.
Die Nachricht erreicht Generalmajor Fiedler noch am selben Tag. Der Anschlag ist gescheitert. Zu dumm. Wenigstens ist IMF Alfons nicht aufgeflogen. Es wird fast zwei Jahre dauern, bis die Staatssicherheit eine neue »todsichere« Idee hat: Gift. Der neue Operative Vorgang bekommt die Bezeichnung »Skorpion« (Reg-Nr. XV/3359/4). Nachdem Erich Mielke im Mai 1980 seine Zustimmung erteilt hat, wird es noch einmal ein Jahr dauern, bis der Plan im Frühjahr 1981 in seine konkrete Phase tritt. Haack macht seinem Freund Wofgang eine Israelreise schmackhaft. Im Wohnmobil und in Begleitung seiner Frau und seiner Tochter könnten sie das biblische Land erkunden, schlägt der Stasi-Agent vor. Unterwegs soll IMF Alfons in der Bordküche Thallium unters Essen mischen, ein extrem toxisches Schwermetall. Mischa Wolfs HVA hat ein Wohnmobil in der Bundesrepublik gekauft und mit deutschem Kennzeichen nach Israel verschiffen lassen. Alles ist vorbereitet. Am 12. Juli treffen sie in Israel ein. In Jerusalem stellt Haack ihm seine neue Bekanntschaft Susan vor, sie will ebenfalls mitreisen. Bei ihr habe es sich mutmaßlich um eine »hauptamtliche HVA-Agentin« gehandelt, meint Welsch, der bis heute auf ihrer Spur ist. Einen gewissen Hautgout bekommt die Aktivität der DDR-Spione auf israelischem Boden, weil es sich bei dem Judenstaat eigentlich um den Erzfeind schlechthin handelt; andererseits verfügteMischa Wolf über gute jüdische Kontakte, er wird sogar sehr viel später, lange nach der Wiedervereinigung, auf Einladung des ehemaligen Mossad-Agenten Gad Shimron Israel einen Besuch abstatten und dabei auch von den Kollegen des Geheimdienstes äußerst freundlich empfangen werden – als Profi unter Profis (siehe S. 101).
Nach der Pfeife gebückt: Einem Anschlag, der Kugel eines Scharfschützen der Stasi, entging Welsch auf dem Weg nach London nur durch Zufall. Das Foto zeigt Peter Haack unmittelbar nach dem Attentat.
»Es war heiß. Peter und Susan begleiteten uns zur Klagemauer, zum Tempelberg, zur Knesset und beim Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem. Obwohl wir in Urlaubsstimmung waren und meine siebenjährige Tochter allerlei Aufmerksamkeit auf sich zog, sprach Susan kaum ein Wort mit uns«, schreibt Wolfgang Welsch.
Ein paar Tage später, eine kleine Feriensiedlung südlich von Eilat. Es ist heiß, das Rote Meer lädt zum Baden ein. Peter schlägt vor, er werde einen Salat und Buletten machen, während der Rest der Gruppe sich abkühle. Niemand widerspricht. Vierzig Minuten später ruft er, alles sei zubereitet. Auf einem der Holztische vor dem Wohnmobil steht eine große Schüssel mit Buletten, eine weitere Schüssel mit Kopfsalat.
Welsch erinnert sich: »Ich ließ mich nicht lange bitten und griff zu. Die Buletten schmeckten ausgezeichnet, vielleicht auch deshalb, weil ich nach den Tagen des hitzebedingten Fastens einen Bärenhunger hatte. … Mit jedem Bissen nahm ich eine Dosis Thallium auf. Es hat die Eigenschaft, geruchs- und geschmacklos zu sein, und kann daher in jeder Dosis jedem beliebigen Essen beigemengt werden. Tatsächlich nimmt Welsch ein Vielfaches der tödlichen Dosis auf, seine Frau deutlich weniger. Doch noch zeigen sich keine Symptome. »IMF
Weitere Kostenlose Bücher