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Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Titel: Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egmont R. Koch
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Planung und logistische Vorbereitung des Anschlags überwacht hatte. Doch diesmal blieb eine amerikanische Antwort aus. Das lag zum einen an der Hängepartie zwischen George W. Bush und Clintons Vize Al Gore, die nach der Wahl am 7. November das Land für mehr als vier Wochen paralysierte, zum anderen daran, dass die neue Administration des Republikaners Bush, nachdem der Supreme Court ihn zum Wahlsieger erklärt hatte, zunächst mit anderen Dingen beschäftigt war.
    Und dann kam der 11. September 2001, der Tag, an dem bin Laden erneut zuschlug, diesmal so schmerzhaft und verlustreich wie nie zuvor, der Tag aber auch, an dem die Vereinigten Staaten beschlossen, dem Rechtsstaat eine Auszeit zu gewähren.
    Neunzehn Al-Qaida-Terroristen bringen nahezu gleichzeitig vier vollgetankte amerikanische Linienmaschinen in ihre Gewalt, um sie als fliegende Bomben zu benutzen. American Airlines Flug AA 011 und United Airlines Flug UA 175 krachen in die beiden Türme des World Trade Centers in Manhattan, die daraufhin kollabieren; American Airlines Flug AA 077 wird von den Hijackern in das Pentagon gelenkt, United Airlines Flug UA 093 stürzt im US-Staat Pennsylvania ab. Fast dreitausend Menschen finden den Tod.
    Noch am selben Abend, unmittelbar nach seiner Fernsehansprache an die Nation, gibt Präsident George W. Bush seinen Geheimdienstleuten weitgehend freie Hand für alle denkbaren Gegenmaßnahmen. Was die geschockte Regierung darunter versteht, wird in den nächsten Wochen nach und nach sichtbar: Krieg gegen Afghanistan, dessen Taliban-Regime al-Qaida massive Unterstützung gewährt hatte; Verbringung von verdächtigen Terroristen oder Talibankämpfern in geheime Verstecke (»black sites«) vor allem in Ländern,die für ihre Folterpraktiken bekannt sind; Errichtung eines Gefangenenlagers in Guantanamo Bay auf Kuba, außerhalb der amerikanischen Gesetzgebung; Internierung von Verdächtigen ohne zeitliches Limit und ohne die Möglichkeit, gegen die Entscheidung ein ordentliches Gericht anzurufen; Einführung sogenannter »weitergehender Verhörtechniken« wie Aufhängen, Elektroschocks, Scheinertränkungen (»waterboarding«) und Psychoterror; Verschärfung der schon unter Clinton beschlossenen Jagd auf Verantwortliche von al-Qaida mit der Maßgabe, sie gezielt zu töten, statt festzunehmen.
    Bush bestätigte damals ausdrücklich die Interpretation seines Amtsvorgängers, solche Exekutionen seien kein Verstoß gegen Reagans noch immer gültige Executive Order 12333. Dessen Vorschrift betreffe politische Hinrichtungen, schließe aber weder die Tötung eines Terroristen »im Rahmen einer verdeckten Operation« noch »die Ermordung bin Ladens« aus. Das amerikanische Parlament gewährte dem Präsidenten einen Freibrief, gegen Terroristen mit militärischen Mitteln vorzugehen, anstatt sie von Justiz und Polizei verfolgen zu lassen. Die Authorization for Use of Military Force ( AUMF ) bedurfte allerdings einer rechtlichen Untermauerung. Argumentative Verrenkungen waren die Folge, an denen aber zunächst niemand in den Vereinigten Staaten großen Anstoß nahm. So befanden die Experten einerseits, dass feindliche Kämpfer, Guerilla und Terroristen unter das Kriegsrecht fielen, ihre gezielte Tötung damit a priori nicht illegal sein könne; sie würden andererseits aber nicht, Kriegsrecht hin oder her, den Schutz der Genfer Konvention und der amerikanischen Anti-Folter-Gesetzgebung genießen, als dürfe man sie zu einer Art »Freiwild« erklären, mit dem der amerikanische Staat alles machen dürfe, was ihm in den Sinn komme, sie quälen, ihnen Schmerzen zufügen – und sie ermorden.
    Ende Oktober 2001 begannen Pentagon und CIA mit der Umsetzung der »Politik der harten Hand«. Ihre Wahl fiel dabei auf eine neue Waffe für gezielte Tötungen: die Drohne Predator (»Raubtier«). Bis dahin wurden die unbemannten Flugkörper lediglich zur Observierung eingesetzt. Sie kreisten hoch oben am Himmel über Afghanistan, Pakistan und dem Jemen, waren nahezu geräuschlos und mit bloßem Auge nicht sichtbar, und lieferten in Echtzeit über Satelliten ein Bild in den Kommandostand, der sich weit weg, irgendwo auf einem amerikanischen Militärstützpunkt befinden konnte. Ergaben sich bei der Beschattung zum Beispiel eines Camps oder Dorfes auf der anderen Seite des Globus Hinweise auf einen gesuchten Terroristen, dann half das dem Lagebild der CIA, hatte aber zunächst keine unmittelbaren Konsequenzen, es sei denn durch einen Angriff mit

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