Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
stand. Allerdings fiel dieser Yehuda Lustig – und hier wird die Geschichte völlig mysteriös – als Soldat im Oktober 1973 im Yom-Kippur-Krieg, bei einem Gefecht auf dem Sinai. Er wurde damals auf dem Friedhof von Gedera als Märtyrer beigesetzt, auch die Internetseite in memoriam der israelischen Streitkräfte (IDF) erinnert an ihn. Daraus ergibt sich für die Rechercheure der Polizei in Dubai fast zwingend, dass der Anmieter des weißen Vans weder Lustig noch Lockwood heißt. Offenbar hat der Mossad die Papiere eines zwanzig Jahre zuvor in Israel gefallenen britischen Soldaten genutzt, um sich damit in Großbritannien einen Pass zu erschleichen und dann ineinem zweiten Schritt durch einen Namenswechsel nutzbar zu machen, weil der Name Yehuda Lustig für einen israelischen Agenten nicht in Frage kommen kann. Als Engländer Christopher Lockwood machte ein Unbekannter dann Karriere im israelischen Geheimdienst – womöglich als eine Art Mister-fix-it , als Mann für alle Eventualitäten.
Auf Veranlassung der Behörden in Dubai erweitert Interpol am 8. März 2010 den internationalen Haftbefehl. Nunmehr werden 27 Caesarea-Agenten per red notice gesucht. Besonders ärgerlich für den Mossad: Mit einem Schlag sind 27 Pässe »verbrannt«, die echten, mit erfundenen Geschichten und großem Aufwand im Ausland besorgten (wie im Falle Lustig/Lockwood) ebenso wie die manipulierten, von Einwanderern nach Israel geborgten (wie im Falle Korman/ McCabe). Im Regierungsviertel in Jerusalem ist man wenig amüsiert. Es ist für Benjamin Netanjahu nach Amman 1997 wieder eine Exekution seines Geheimdienstes, die völlig aus dem Ruder läuft. Hinter den Kulissen jedoch gilt vorläufig die Losung: Alles ist gut, al-Mabhouh lebt nicht mehr – und keiner der »Kämpfer« wurde gefasst.
Nur wenige Wochen später, im Mai 2010, legt Philip G. Alston, Völkerrechtler an der New York University, im Auftrag des UN Human Rights Council eine Studie über »gezielte Tötungen« vor, in der er Israels Politik gezielter Tötungen kritisiert. Inzwischen ist sein Mandat bei den Vereinten Nationen beendet und er kann, losgelöst von diplomatischer Rücksichtnahme, noch klarer Stellung nehmen: »Wir geraten in einen Zustand internationaler Anarchie, wenn ein Geheimdienst eine solche Operation gegen jemanden beschließen und dann in einem fremden Land ausführen kann«, schimpft der Menschenrechtler über den Mord in Dubai.
Am 4. Juni 2010 wird am Flughafen in Warschau bei der Passkontrolle ein Mann namens Uri Brodsky verhaftet. DieBundesanwaltschaft in Karlsruhe hat ihn zwei Monate zuvor wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zur Fahndung ausgeschrieben und verlangt jetzt von Polen seine Auslieferung. Die Geschichte illustriert, welchen Aufwand der Mossad treibt, um seinen Caesarea- oder gar Kidon»Kombattanten« sichere Papiere zu beschaffen, und wie sehr es ihn schmerzt, dass nach Dubai so viele Pässe geschreddert werden müssen.
Jener israelische Agent, der mit einem deutschen Pass auf den Namen Michael Bodenheimer nach Dubai einreiste und der allem Anschein nach einer der beiden Killer aus dem zweiten hit -Team war, die al-Mabhouh ums Leben brachten, tauchte knapp ein Jahr vor dem Anschlag in der Kanzlei eines Kölner Rechtsanwalts auf. In seiner Begleitung damals: ein israelischer Staatsbürger namens Alexander Verin, der als Berater und Dolmetscher fungiert. Der Rechtsvertreter erhielt den Auftrag, beim Bundesverwaltungsamt (BVA) in der Kölner Barbarastraße einen Pass für ihn zu beantragen. Das Bundesverwaltungsamt gehört zum Bundesministerium des Innern und ist mit einer Vielzahl von administrativen Aufgaben befasst, dazu zählt die sogenannte »Anspruchseinbürgerung«, wie das im Bürokratendeutsch heißt. Und genau darum ging es dem israelischen Agenten und seinem Begleiter.
Frühere deutsche Staatsangehörige, so steht es im Grundgesetz, denen im Dritten Reich »die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist«, können diese in einer Art Schnellverfahren zurückerhalten; das gilt auch für deren Nachkommen. Dieser Mann sei der Sohn von Hans Bodenheimer, führte Verin das Wort in der Kanzlei, während der Agent schwieg, und der sei ein vor den Nazis geflohener Jude, mithin stehe seinem Sohn ein deutscher Pass zu. Zum Beweis legte er Papiere vor, darunter eine angebliche Hochzeitsurkunde der Eltern Bodenheimers. Der Anwalt versprach, sich um das Anliegen zu kümmern.
Der
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