Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
angebliche Michael Bodenheimer nahm sich eine Wohnung in einer schäbigen Mietskaserne in Kölner Bahnhofsnähe, über einem Pizzaservice. Er sollte offenbar über einen festen Wohnsitz in Deutschland verfügen, damit ihm Post zugestellt werden konnte. Am 16. Juni 2009 reichte sein Anwalt den Antrag beim BVA ein, einige Zeit später bekam Bodenheimer seinen deutschen Pass vom Einwohnermeldeamt der Stadt Köln ausgehändigt, mit dem er sofort aus Deutschland verschwand.
In Dubai trat er ein halbes Jahr später wieder in Erscheinung. Als sein Name auf der Interpol-Liste der gesuchten Mabhouh-Attentäter auftauchte, sah sich die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe gezwungen, ein Aktenzeichen anzulegen und Ermittlungen gegen Bodenheimer und seinen Helfer Alexander Verin einzuleiten, wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit, Urkundenfälschung und anderer Delikte. Die Recherchen ergaben recht schnell, dass es sich bei dem Mann, der sich mal Verin, mal Varin oder auch Uri Brodsky nannte und mit wechselnden Pässen auftrat, offenbar um einen Mossad-Logistiker handelt, der ständig auf Achse ist. Das alles reichte Karlsruhe für einen internationalen Haftbefehl.
Die Papiere auf den Namen Brodsky, so stellte sich heraus, stammten augenscheinlich von dem unbescholtenen Psychologen und Psychiater Uri Brodsky aus Kiryat Ono bei Tel Aviv, der 15 Jahre zuvor aus Sankt Petersburg nach Israel eingewandert war; wahrscheinlich hatte er irgendwann bei den russischen Heimatbehörden einen neuen Pass beantragt und diesen dem Mossad überlassen. Vielleicht arglos, vielleicht bewusst. Nachdem von den Fachleuten in der »verbotenen Stadt« ein neues Foto in den echten Pass hinein gedoktert worden war, reiste der Agent Brodsky mit den Papieren of fenbar jahrelang durch die weite Welt. Heute hier, morgen dort. Ein Beispiel für das Jahr 2005, dokumentiert auf zwei Seiten seines Passes: 21. August in Bukarest, 12. September in Johannesburg, 8. Oktober Ankunft in Berlin-Tegel, weiter am 12. Oktober mit dem Zug über Dresden, Bad Schandau nach Prag, 18. Oktober durch den Kanaltunnel nach England, 1. November wieder in Johannesburg, 8. November auf der Insel Zanzibar.
Von Interpol gesucht: Einer der Agenten, die al-Mabhouh in Dubai ermordeten, benutzte einen echten Pass auf den Namen Michael Bodenheimer, den sich der Mossad bei deutschen Behörden erschlichen hatte.
Am 4. Juni 2010 war in Warschau erst einmal Schluss mit der Vielfliegerei. Der polnische Grenzbeamte gab den Namen Brodsky in seinen Computer ein, und der antwortete mit einer Alarmmeldung. Minuten später klickten die Handschellen – und im Hauptquartier in Herzliya hatte man ein Problem mehr.
Der Agent war kaum in Gewahrsam genommen, da begann auch schon ein diplomatisches Tauziehen hinter den Kulissen. Die deutsche Justiz bestand auf Auslieferung, impolitischen Berlin gab es keinerlei Wünsche, die Affäre diskret zu regeln. Interne Begründung: Mit Hilfe eines Passes, den sie sich erschlichen hatten, einen Mord zu begehen, sei dreist, dabei den Passantrag mit der angeblichen Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu begründen, geradezu unverschämt gewesen. Bei aller Sensibilität der deutsch-israelischen Beziehungen – die Regierung wollte nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Zur gleichen Zeit intervenierte der israelische Botschafter bei der polnischen Regierung; Anwälte in Warschau und Tel Aviv wurden in Bewegung gesetzt, sie sollten alle juristischen Möglichkeiten ausnutzen, um eine Überstellung an die deutsche Justiz zu verhindern. Es gehört zu den eisernen Regeln des Spionagegeschäftes, einen Agenten, der erwischt wurde, selbst wenn er sich einen schlimmen Anfängerfehler geleistet und verschiedene Legenden vermischt hatte, sicher wieder nach Hause zu holen: mit Geld und guten Worten, mit Tricks, Lügen und Drohungen, notfalls sogar mit Gewalt.
Zwei Monate nach der Verhaftung atmeten die Rechtsvertreter der israelischen Regierung auf, die Richter des Berufungsgerichtes in Warschau wählten den Königsweg: Zwar verfügten sie die Auslieferung Brodskys nach Deutschland, aber lediglich wegen »mittelbarer Falschbeurkundung«, also Urkundenfälschung, nicht aber wegen Spionage. Das aber bedeutete, dass der Generalbundesanwalt das Verfahren an ein Kölner Gericht abgeben musste – und dass dem Agenten lediglich eine Geldstrafe drohte. Und genauso kam es: Am 12. August 2010 wurde der Israeli überstellt, deutsche Anwälte hatten die weiteren Schritte schon
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