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Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Titel: Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egmont R. Koch
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»Attentat auf Adenauer« die damaligen Akten der bayerischen Ermittlungsbehörden aufgestöbert und eine akribische Rekonstruktion dessen vorgenommen, was folgen sollte: Reichert zieht das Lexikon ganz heraus und legt es auf einem Rohrstutzen ab, der ihm als Unterlage dient. Er fordert die umstehenden Helfer und die beiden Journalisten auf, weiter zurückzutreten, überlegt einen Moment, wie er vorgehen soll, und trifft dann eine verheerende Entscheidung. »Nach den Aussagen der Augenzeugen«, schreibt Sietz, »sah er sich das Buch aufmerksam von allen Seiten an, legte es dann in die rechte Hand, um es mit der linken aufzuschlagen«. Das Aufklappen des Buchdeckels setzt einen versteckten Mechanismus in Gang.
    Es ist 18.20 Uhr, als die Bombe explodiert. Die Druckwelle reißt dem Sprengmeister beide Unterarme ab, jagt ihm Hunderte von Metallstücken, Kabelresten und Schrauben ins Gesicht und in den Oberkörper. Reichert ist sofort bewusstlos, aufs Schwerste verletzt; hinter ihm liegen zwei Streifenbeamte im Kellerstaub, ein dritter Polizist, der an der Tür stand, ist von der Wucht der Detonation an die gegenüberliegende Wand des Kellergangs geschleudert worden; die beiden Reporter stehen unter Schock, taumeln in Richtung Treppenaufgang. Vier Stunden später stirbt der Münchner Brandmeister Karl Reichert, ohne das Bewusstsein wieder erlangt zu haben. Eine Stofffaser aus dem Einband des Brockhaus , so ergibt die Obduktion, ist durch das linke Auge ins Gehirn eingedrungen. Die verletzten Polizeibeamten überleben den Anschlag, der eigentlich dem ersten Bundeskanzler der noch jungen Republik gegolten hatte: Konrad Adenauer.
    Tödliche Lektüre: Nachbau eines in einem Lexikon versteckten Sprengsatzes, mit dem radikale Israelis Konrad Adenauer ermorden wollten.
    In jenen Märzwochen des Jahres 1952 verhandelten deutsche und israelische Regierungsdelegationen im holländischen Wassenaar bei Den Haag über milliardenschwere Reparationszahlungen an Israel, mit denen Überlebende des Holocaust unterstützt werden sollten. Beide Seiten warenzum Erfolg verdammt: Adenauer brauchte eine Einigung als Signal an die westlichen Verbündeten, dass Nachkriegsdeutschland zu seiner Schuld stand, der israelische Regierungschef David Ben-Gurion benötigte das Geld, um einen drohenden Staatsbankrott abzuwenden. In Israel jedoch gab es heftige Widerstände gegen die Politik der Wiedergutmachung. Das deutsche Volk habe kaltblütig sechs Millionen Juden hingemetzelt und wolle sich jetzt mit Geld freikaufen, wiegelte Menachem Begin, Chef der national-konservativen Cherut-Partei, Tausende von Demonstranten in Jerusalem auf. »Adenauer ist ein Mörder!«, rief er seinen Anhängern zu, und die skandierten »Adenauer ist ein Mörder!« Dann versuchte der Mob, das Parlament, die Knesset, zu stürmen. Die Cherut war aus der zionistischen Untergrundorganisation Irgun hervorgegangen, im Hebräischen IZL (»Etzel«) abgekürzt. Auf das Konto der IZL gingen im israelischen Unabhängigkeitskrieg mehrere Terroranschläge mit Hunderten von Toten, darunter im Juli 1946 der Bombenanschlag auf das King David Hotel in Jerusalem und im April 1948 ein Massaker im palästinensischen Dorf Deir Yassin. Aus der Cherut entwickelte sich später die Likud-Partei – und Menachem Begin wurde irgendwann nicht nur israelischer Ministerpräsident, sondern erhielt sogar den Friedensnobelpreis – für die Aussöhnung mit Ägypten.
    1952 jedoch befand sich Begin in einem persönlichen »Kriegszustand mit Deutschland«, und er wollte es durchaus nicht bei verbalen Angriffen belassen, wandte sich deshalb an einen Mann, den er aus dem Untergrund kannte: Elieser Sudit. Sudit war 1925 in Bessarabien (heute ein Teil von Moldawien, Rumänien und der Ukraine) geboren worden, als junger Mann nach Palästina ausgewandert und hatte sich dort der Irgun angeschlossen. Bei einem Banküberfall raubte er Säcke voller Kleingeld, die von den Briten beschlagnahmt worden waren. Weil er sogar hinter einzelnen Münzen her kroch, die dabei unter einen Tisch gerollt waren, erhielt er den Spitznamen »Kabtzan« (»Bettler«). Sudit machte später ebenfalls Karriere – als Bombenexperte erst der Irgun und des Mossad.
    Der »Bettler« – ein Mörder: Elieser Sudit, hier mit seiner Frau und dem späteren Premierminister Menachem Begin, war nicht nur der Drahtzieher des Attentats auf Adenauer, sondern 13 Jahre später auch einer der Beteiligten an der Tötung von Herbert Cukurs (siehe

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