Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
besorgt gewesen, weil sie ihren Mann telefonisch nicht habe erreichen können, sie habe deshalb das Hamas-Büro in Damaskus gebeten, jemanden in Dubai ins Hotel zu schicken. Erst aufgrund dieser Intervention sei das Zimmer geöffnet – und die Leiche überhaupt identifiziert worden, weil al-Mabhouh ja unter falschem Namen eingecheckt hatte.
Ein für das Al Bustan Rotana zuständiger Arzt wird gerufen, er stellt Tod durch Herzversagen fest. Die offizielle Obduktion im Leichenschauhaus des Emirats bestätigt Stunden später den Befund. Die Hamas akzeptiert die Erklärung zunächst, nicht aber al-Mabhouhs Familie. Ihr Mann sei kerngesund gewesen, beschwert sich die Witwe, ein plötzlicher Herztod daher sehr unwahrscheinlich. General Dhahi Khalfan Tamim, der 59-jährige Polizeichef von Dubai, wimmelt die Hamas zunächst ab, als sie auf weitergehende Untersuchungen drängt, er will keinen neuen Skandal. Es wäre bereits das dritte Gewaltverbrechen in Dubai innerhalb von zwei Jahren: im Juli 2008 wurde eine bekannte libanesische Sängerin und Exfreundin eines ägyptischen Tycoons ermordet und im März 2009 ein tschetschenischer Gangster. Monatelang schrieben die Zeitungen darüber, was wiederum den Herrscher, Mohammed bin Rashid, wenig amüsierte, denn er verlangt Ruhe und Ordnung in seinem Königreich, schon um dessen Attraktivität als Finanzplatz und Feriendomizil nicht zu beeinträchtigen. Immerhin lässt der Polizeigeneral sich die Überwachungsvideos von al-Mabhouhs Hotelflur kommen. Zu seiner eigenen Überraschung sieht er tatsächlich sehr merkwürdige Akteure auf den Aufnahmen, die den Gang rauf und runter eilen. Jetzt scheint auch Tamim elektrisiert. Sollte es sich um einen Anschlag der Israelis gehandelt haben?
Im Mossad-Hauptquartier herrscht unterdessen erste Verunsicherung. Es ist genau das eingetreten, was Meir Dagan auf jeden Fall verhindern wollte: dass Zweifel am natürlichen Tod al-Mabhouhs auftauchen. Doch das sollte erst der Anfang sein. Tamim veranlasst, dass Gewebe- und Blutproben von al-Mabhouhs Leiche an ein anerkanntes toxikologisches Labor in Frankreich geschickt werden. Eine Woche später treffen die Ergebnisse im Polizei-Hauptquartier ein: Es sind Spuren von Succinylcholin nachweisbar. Außerdem könnte es sich bei den Rötungen im Bereich der Brust des Opfers um minimale Verbrennungen durch die Elektroden eines Defibrillators handeln. Tamim weiß jetzt, dass er keine Wahl hat, eine Kehrtwende machen und die exzellenten Fähigkeiten seiner Behörde unter Beweis stellen muss. Und er stellt sie unter Beweis, sehr zum Verdruss des Mossad-Chefs und der israelischen Regierung.
Erst leise, dann laut: Mabhouhs Hinrichtung sollte wie ein natürlicher Tod aussehen. Nachdem erste Zweifel aufgetaucht waren, ließ sich der Mord jedoch im Detail rekonstruieren.
Als erstes lässt er aus der Datenbasis der Immigrationsbehörde sämtliche Namen zusammenstellen, die kurz vor dem vermeintlichen Anschlag ein- und kurz danach wieder ausgereist sind; dann vergleicht er deren Pässe mit den Angaben aus dem Hotelregister und den beim Einchecken aufgenommenen Videoaufnahmen; seine Leute vernehmen Taxifahrer, Hotelangestellte, das Personal von Leihwagenfirmen, verfolgen die elektronischen Zahlungen mit Kreditkarten und die am Tatort durchgeführten Telefonate zurück; gleichzeitig überprüfen sie sämtliche in den fraglichen 48 Stunden gemachten Aufzeichnungen der Überwachungskameras im Flughafen, vor und im Al Bustan Rotana und in nahegelegenen Hotels und Einkaufszentren. Am Ende werden sie Tausende Stunden Videomaterial aus Hunderten von Kameras gesichtet haben – eine Sisyphos-Arbeit, doch sie zeigt Erfolge: Nach und nach entsteht ein Bewegungsbild für zunächst elf, danach 27 und am Ende weit mehr als dreißig angebliche Mossad-Agenten. Dabei ist allerdings übersehen worden, dass bei der virtuellen Schleppnetzfahndung auch mutmaßliche Agenten hängen geblieben sind, die mit der Exekution von al-Mabhouh überhaupt nichts zu tun hatten, sondern in den Emiraten gerade andere Aufträge erledigten, auch für andere Geheimdienste, oder die in der fraglichen Zeit zufällig auf der Durchreise waren.
Am 16. Februar 2010 präsidiert Generalleutnant Tamim einer bestens vorbereiteten internationalen Pressekonferenz, um die erste Gruppe von elf verdächtigen Agenten zu präsentieren. Er hat seine Polizeiuniform gegen die übliche Landestracht ausgetauscht, Kaftan und Kufiya, was immer für ein Signal er damit
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