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Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Titel: Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egmont R. Koch
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Autopsie von Herbert Cukurs in Montevideo sei festgestellt worden, »dass er nicht … wie es zunächst in Polizeiberichten geheißen hatte, erschossen, son dern durch wiederholte Schläge auf den Kopf« getötet worden sei. Nach der Spurenlage musste es ein Anschlag von unfassbarer Brutalität gewesen sein, bei dem die Täter ihr Opfer so lange mit dem Vorschlaghammer traktierten, bis dessen Schädel vollständig zertrümmert war.
    Hinrichtung als Legende: Die grausam zugerichtete Leiche von Herbert Cukurs lag in einem Schiffskoffer, in dem er eigentlich entführt werden sollte.
    Oteros weitere Ermittlungen halten neue Überraschungen parat: Offenbar haben einige Mitglieder der Tupamaros dem Mossad bei der geplanten Entführung assistiert. Tabaré Rivero, einer der Gründer der linksgerichteten Stadtguerilla in Uruguay, erzählte Gaby Weber, dass »einer unserer tollkühnsten Genossen, Amodio Pérez, mit einem gefälschten Ausweis das Tatfahrzeug der Cukurs-Aktion angemietet und gefahren habe«. Pérez sei Jude gewesen und habe damals enge Kontakte zur jüdischen Gemeinde in Montevideo gepflegt. Darüber hinaus hatte der Mossad für den Schlägertrupp mehrere junge Argentinier rekrutiert. So steht es in der Ermittlungsakte der Polizei, in die Gaby Weber Einblick nehmen konnte. Demnach wurde die »ganze Operation nicht von Israelis, sondern (im Wesentlichen) von Argentiniern jüdischer Abstammung ausgeführt«.
    Otero nimmt Verbindung auf mit der Familie von Herbert Cukurs in São Paulo, die sofort Anton Künzle als Täter ins Spiel bringt. Tatsächlich ist Künzle, so stellt sich heraus, nur wenige Stunden nach dem Mord, zusammen mit Oswald Heinz Taussig alias Elieser Sudit, dem Konstrukteur der Adenauer-Bombe, übereilt aus Montevideo abgereist; beide ließen dabei ihre persönlichen Sachen im Hotelzimmer zurück. Das ist für den Kommissar ein untrügliches Indiz, dass in Shangrilá etwas gründlich schiefgelaufen sein musste. Sudit hatte die Funktion des Logistikers übernommen, in Montevideo den Schiffskoffer besorgt und verschiedene Leihwagen angemietet, darunter auch einen Kastenwagen VW-Bulli, der groß genug gewesen wäre, die Truhe mit dem gekidnappten Cukurs die kurze Strecke bis zum Strand zu transportieren.
    Das sogenannte Todesurteil gegen Cukurs, das die Täter zurückgelassen haben wollten, wurde nicht gefunden, sondern erst durch das spätere Bekennerschreiben bekannt. Tatsächlich lag auf der Leiche eine Seite aus Kapitel 22 des Buches »Nuremberg Diary« von Gustav M. Gilbert, eine Zusammenfassung des Nürnberger Kriegsverbrechertribunals. Vermutlich war es den argentinischen Helfern vorher zur Lektüre übergeben worden, um sie auf die Entführung einzustimmen.
    Die Exekution von Herbert Cukurs gilt in Israel bis heute als bravouröses Husarenstück eines unerschrockenen israelischen Mossad-Kämpfers, der Zehntausende in Lettland grausam ermordeter Juden gerächt hatte. Mit den tatsächlichen Ereignissen in Uruguay hatte die Geschichte des Mossad-Agenten Jakob Meidad, der sich Anton Künzle nannte, allerdings bestenfalls den Tatort und das Opfer gemein. »Der Tod des Henkers von Riga«, 1997 auf Hebräisch, danach in vielen ausländischen Sprachen erschienen, verkaufte sich gut, wurde von National Geographics sogar in einem aufwendigen Doku-Drama verfilmt, mit Anton Künzle als Kronzeugen. Im Vorwort der englischsprachigen Ausgabe des Buches schreibt der 1965 verantwortliche Mossad-Chef Meir Amit: »Der Staat Israel hatte entschieden, die führenden Kriegsverbrecher … gezielt, selektiv und effizient … zu eliminieren. Einer der prominentesten war Herbert Cukurs, der verheerende Verbrechen an lettischen Juden begangen und sich dem Zugriff der Alliierten entzogen hatte.« Diese Behauptung ist eine bloße Mär: Der Tod des Nazis Cukurs war ein grotesker Fehlschlag, und der Mossad hatte davor noch keine Nazi-Verbrecher exekutiert. Und danach schon gar nicht.
    Eine spektakuläre Entführung aus Uruguay mit einem anschließenden Gerichtsprozess in Jerusalem hätte die bundesdeutsche Debatte über die Verjährungsfristen vielleicht beeinflussen können. Die Ansage wäre unmissverständlich gewesen: Wenn ihr sie nicht vor Gericht stellen wollt, holen wir sie uns und machen ihnen in Israel den Prozess! Ein feiger Mord oder Totschlag dagegen, dessen sich eine anonyme Gruppe jüdischer Rächer bezichtigte, zu dem sich aber die israelische Regierung natürlich nicht bekennen konnte, musste nahezu ohne

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