Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
als er versucht, einen der Angreifer zu entwaffnen. Und sie töten auch den 32-jährigen Gewichtheber Josef Romano, Vater von drei Töchtern. Neun weitere Sportler und Trainer nehmen sie als Geiseln.
Aus einiger Distanz vom Zaun haben zwei Männer zufrieden beobachtet, wie einfach es ihren Leuten gefallen ist, den ersten Teil ihres Auftrags zu erledigen. Als sie wenig später die Schüsse hören, mit denen Weinberg ermordet wird, wissen Mohammed Oudeh (»Abu Daoud«) und Ali Hassan Salameh (»Abu Hassan«), dass die Operation begonnen hat. Sie steigen in einen wartenden Wagen und lassen sich sofort zum Flughafen München-Riem bringen. Am Schalter von Alitalia legen sie ihre gefälschten Pässe und die schon vorher gekauften Flugtickets vor. Noch ehe die meisten der Sportler an diesem schrecklichen Morgen erwachen, sitzen die beiden Drahtzieher der Operation schon in der Frühmaschine nach Rom.
Dies jedenfalls ist bis heute die israelische Version vom Beginn des München-Massakers, ihr wurde von palästinensischer Seite jedoch vehement widersprochen. Abu Daoud stellte in den Jahren nach München immer wieder klar, dass er der Planungschef des Anschlags gewesen sei und Abu Hassan, genannt »der rote Prinz«, »mit dieser Sache nicht das Geringste zu tun gehabt«, geschweige denn mit ihm den Beginn der Operation beobachtet habe. Die israelische Sichtweise wird wahrscheinlich durch Ereignisse beeinflusst, die in den Jahren nach München dunkle Schatten auf den Mossad werfen sollten (siehe S. 180).
Auf einem zwei Schreibmaschinenseiten langen Kommuniqué geben sich die Terroristen, die sich in der Connollystraße verschanzt haben, als Angehörige der palästinensischen Terror-Organisation »Schwarzer September« zu erkennen, einer Gruppierung der Fatah von Yassir Arafat. Ihre Forderung: Die Freilassung von 234 in Israel inhaftierten Palästinensern sowie der beiden RAF-Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof.
Israels Ministerpräsidentin Golda Meir lehnt jeden Handel mit den Tätern kategorisch ab. »Wenn wir nachgeben,kann sich kein Israeli auf der ganzen Welt mehr sicher fühlen«, sagt sie, das sei eine »Erpressung der schlimmsten Art«. In einem Telefongespräch mit Bundeskanzler Willy Brandt offeriert sie jedoch Unterstützung durch die israelische Eliteeinheit Sayeret Matkal, die genau für solche Geiselnahmen gegründet wurde. Doch Brandt sieht durch eine Operation israelischer Agenten auf deutschem Boden die deutsche Souveränität gefährdet. Vielleicht überschätzt er dabei die Fähigkeiten des eigenen Sicherheitsapparats, sicherlich unterschätzt er die Entschlossenheit der Terroristen. Immerhin wird dem Memunen des Auslandsgeheimdienstes Mossad, Zvi Zamir, erlaubt, sofort nach München zu kommen, um als Berater vor Ort zu sein.
Die Behörden reagieren hilflos. Polizeipräsident Manfred Schreiber bietet Lösegeld an, Innenminister Hans-Dietrich Genscher will sich selbst gegen die Geiseln austauschen lassen. Beides beeindruckt die Terroristen des »Schwarzen September« wenig. Die Verhandlungen ziehen sich hin, Ultimaten verstreichen und werden durch neue ersetzt. Schließlich verlangen die Palästinenser, mit den Geiseln in ein ara bisches Land ausgeflogen zu werden. Zum Schein geht die Polizei darauf ein. Zunächst sei geplant gewesen, »die Geiselnehmer auf dem Weg durch das Olympische Dorf auszuschalten, also notfalls auch zu töten«, erinnert sich Günther Scheicher, damals Terroristenjäger des Bundeskriminalamtes und Berater von Genscher. Doch das Risiko habe die Polizei nicht tragen wollen.
Auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck, so Plan B, könnten die Terroristen besser überwältigt und die Israelis dabei befreit werden. Gegen 22.15 Uhr heben zwei Hubschrauber mit acht Entführern und mit ihren neun Opfern ab. Die deutschen Sicherheitsleute, darunter Günther Scheicher und Mossad-Chef Zamir, folgen in einem dritten Helikopter.
Der Hinterhalt auf dem Flugfeld, dilettantisch geplantund organisiert, gerät zum Fiasko. Minuten vor dem Einsatz türmt die Polizei-Einheit, die als Crew verkleidet die Terroristen in der wartenden Boeing 727 überwältigen sollte. Die Männer haben Angst um ihr Leben. Die gepanzerten Fahrzeuge der Polizei, ohnehin viel zu spät geordert, bleiben in der Menge der Schaulustigen stecken. Der Flugplatz ist unzureichend ausgeleuchtet. Die Scharfschützen sind falsch positioniert, haben keine Funkverbindung untereinander, sind kaum ausgebildet und schlecht ausgestattet,
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