Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
tragen weder Schutzwesten noch Helme. Und vor allem: Es sind viel zu wenige. Nur fünf Männer bringt die Polizei in Stellung, dass ihnen acht Attentäter gegenüberstehen, scheint irgendwo auf der Kommunikationsstrecke zwischen München und Fürstenfeldbruck verlorengegangen.
Auf dem Tower des Flugplatzes müssen Genscher, Scheicher und Zamir hilflos und ungläubig zusehen, wie eine wilde Schießerei entbrennt. Sie können nicht eingreifen. Kurz nach Mitternacht wirft einer der Terroristen eine Handgranate in den Helikopter, in dem vier gefesselte Israelis sitzen. Dann feuert ein anderer Attentäter mehrere Salven aus seiner Maschinenpistole AK-47 auf die fünf wehrlosen Sportler im zweiten Hubschrauber. Ihre Schreie gellen über den ganzen Flugplatz. Alle israelischen Geiseln sterben, dazu ein Münchner Polizist und fünf der acht Terroristen; drei Palästinenser können festgenommen werden. Als er von dem Ergebnis des Zugriffs gehört habe, erinnert sich Scheicher, sei er »zutiefst erschüttert« gewesen.
27 Jahre nach Ende des Holocaust erlebt Israel ein neues Trauma. Trauer mischt sich mit Wut. Großer Wut. »Als die El-Al-Maschine mit den Särgen aus München eintraf, stand das ganze Land unter Schock, jeder in Israel wusste, es muss etwas passieren«, erzählt Gad Shimron, der damals in Jerusalem Geschichte studierte und sich zwei Jahre später vom Mossad verpflichten ließ.
Die Regierung sinnt nach Vergeltung und nach einer neuen Strategie gegen den Terror, die wirkungsvoller ist als die bisher üblichen Militärschläge gegen Ausbildungslager der PLO. Zvi Zamir will gezielte Tötungen. Nicht einzelne Exekutionen alle paar Jahre, sondern eine regelrechte Kampagne, die vergessen lässt, dass bislang sämtliche Operationen (1962/63 gegen deutsche Raketenforscher in Ägypten, 1965 gegen den lettischen Kriegsverbrecher Cukurs, 1965 gegen den marokkanischen Oppositionspolitiker Mehdi Ben Barka) allesamt stümperhaft gewesen sind.
Alle führenden Mitglieder des »Schwarzen September« und der Fatah sollen für das Massaker in Fürstenfeldbruck mit ihrem Leben büßen. Premierministerin Golda Meir legt sich gegenüber den Hinterbliebenen mit einem Versprechen fest: »Wir werden die Schuldigen jagen bis zuletzt.« Und in der Knesset, dem israelischen Parlament, sagt sie einen Satz, der auch staatliches Morden im Ausland rechtfertigen soll: »Wir haben keine andere Wahl, als Terror-Organisationen anzugreifen, wo immer wir können.«
Zvi Zamir schritt nur Tage nach seiner Rückkehr aus Fürstenfeldbruck zur Tat und befahl dem Chef der Einheit Caesarea, dem 45-jährigen Mossad-Veteranen Mike Harari, der zwischenzeitlich Yoske Yariv abgelöst hatte, eine Kidon-Einheit aufzubauen (siehe S. 99). Seine Killer sollten sich möglichst nicht aus Sabres rekrutieren, in Israel geborenen Juden, sondern aus Jecken , Juden aus unterschiedlichen Ländern und Kulturkreisen, die unter einer falschen Identität im Ausland leben und jeweils zu ihren Missionen »einberufen« werden konnten.
Im damaligen Hauptquartier des Mossad, im Hadar Dafna Building am King Saul Boulevard 39 – 41, mitten in Tel Aviv, begannen Zamirs Analysten damit, ihre Karteikästen nach palästinensischen Terroristen zu durchforsten und Informationen über die mutmaßlichen Hintermänner des»Schwarzen September« zu sammeln. »Es gab Diskussionen und am Ende gab es eine Liste, die abgearbeitet werden sollte«, weiß Ex-Caesarea-Agent Gad Shimron, der mit einigen der damaligen Kidon-Kämpfer befreundet ist. Aus heutiger Sicht war die erste Hit-Liste eher improvisiert, die Lebensgewohnheiten möglicher Zielpersonen, die Umstände einer möglichen Exekution in dem jeweiligen Land – diese Faktoren spielten eine größere Rolle als die Bedeutung der targets für den palästinensischen Terror. Ganz oben auf der Liste standen allerdings drei prominente Namen, die der Mossad für die Drahtzieher des München-Massakers hielt, deren Liquidierung aber extrem schwierig werden würde: Mohammed Oudeh (»Abu Daoud«), Salah Mesbah Khalaf (»Abu Iyad«) und Ali Hassan Salameh (»Abu Hassan«); dann folgten weniger hochrangige Vertreter der Terrororganisation Fatah in der PLO, die aber ein eher leichtes Ziel abgaben; später landeten auch die drei überlebenden Terroristen von Fürstenfeldbruck; sie wurden durch eine am 29. Oktober 1972 von der palästinensischen Splittergruppe PFLP-SC unter Wadi Haddad organisierten Entführung einer Lufthansa-Maschine
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