Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Titel: Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egmont R. Koch
Vom Netzwerk:
1955 wechselte er dann zum Auslandsgeheimdienst Mossad. Nach dem Urteil seines früheren Mossad-Kollegen Moti Kfir war Jitzchak alias Jakob so etwas wie der geborene Spion. Er konnte mit Glatze und Bauch und »in seiner stillen, introvertierten Art völlig unscheinbar« sein, konnte »leicht in der Menge untertauchen, ohne dass jemand ihn bemerkt oder später wiedererkannt hätte«. Daneben habe er noch andere Eigenschaften für ein Leben als Agent besessen, erinnert sich Kfir: »Er war klug und wendig, selbstsicher, vertrauenerweckend, mutig und umsichtig, sprach sieben Sprachen fließend.« Was Kfir in seiner Aufzählung vergaß: Meidad war gut im Erfinden von Geschichten. Auch die Story seines spektakulärsten Einsatzes, die er 1997 von dem israelischen Journalisten und Ex-Mossad-Agenten Gad Shimron aufschreiben ließ, zeichnet sich nicht gerade durch die reine Wahrheit aus. Für seine Memoiren wählte er übrigens »Anton Künzle« als Pseudonym, jenen Namen, der ihm an jenem Septembermorgen 1964 in Paris »verliehen« worden war.
    Joav eröffnet seinen Plan, der mit dem Hauptquartier abgestimmt ist: »In wenigen Monaten, am 8. Mai 1965, wird die Welt den zwanzigsten Geburtstag des Sieges über Nazi-Deutschland begehen … und schon jetzt ist zu hören, dasses Zeit sei, einen Schlussstrich zu ziehen«, empört er sich, »wir Israelis und Juden haben die Pflicht, dem entgegenzuwirken!«
    Tatsächlich hatte im Deutschen Bundestag eine Diskussion darüber begonnen, ob das seit 1871 geltende Verjährungsgesetz, das eine Frist von zwanzig Jahren für die Strafverfolgung von Mord vorsah, auch für Völkermord und die Verbrechen der Nationalsozialisten gelten solle. Es gab durchaus namhafte Stimmen im politischen Bonn, die das so sahen. Das aber würde bedeuten, dass nach dem 8. Mai 1965 die schlimmsten Gräueltaten des Dritten Reichs nicht weiter verfolgt werden könnten, es sei denn, ein neues Gesetz würde eine parlamentarische Mehrheit finden.
    »Es ist absolut inakzeptabel, dass Tausende von Nazi-Verbrechern … jetzt aus ihren Löchern schlüpfen und ihren Lebensabend in aller Ruhe und Gelassenheit, ohne Angst vor Verhaftung und Verfolgung, verbringen können«, fährt Joav fort. Deshalb sei beschlossen worden, »einen der grausamsten und sadistischsten Nazis«, der »eigenhändig die Köpfe von Kleinkindern zertrümmert, Greise erschossen und Frauen misshandelt« habe und heute unbehelligt in Brasilien lebe, zu liquidieren. Mit dieser Operation werde der Mossad »die öffentliche Meinung beeinflussen« und ein klares Signal an die deutschen Abgeordneten senden. Dann macht Joav eine Kunstpause, um seinen folgenden Worten mehr Gewicht zu geben: »Der Nazi, der jetzt an der Reihe ist, heißt Herbert Cukurs« (in vielen Originaldokumenten wird der Vorname »Herberts« statt »Herbert« verwendet; in diesem Buch heißt Cukurs durchgängig »Herbert«).
    Schon an dieser Stelle wirft Meidas Buch »Der Tod des Henkers von Riga« unzählige Fragen auf: Warum »jetzt an der Reihe«? Bis dahin hatte Israel noch keinen Nazi-Kriegsverbrecher exekutieren lassen. Adolf Eichmann war aus Argentinien verschleppt worden, um ihn in Jerusalem vorGericht stellen zu können; er wurde dann in einem rechtsstaatlichen Verfahren zum Tode verurteilt und Monate später hingerichtet. Warum also, anders als bei Eichmann, jetzt eine Exekution ohne öffentlichkeitswirksamen Prozess und ohne Urteil?
    Und warum ausgerechnet Herbert Cukurs? Weil aus der südamerikanischen Diaspora genügend Informationen über ihn vorlagen, er mithin ein leichtes Ziel schien? Bereits im Jahre 1950 war der Lette, der sich nach dem Krieg über Schweden und Frankreich nach Brasilien abgesetzt hatte, ins Visier der jüdischen Gemeinde in Rio de Janeiro geraten. Sie warf ihm vor, für die Hinrichtung von 30000 Juden im von der Wehrmacht besetzten Lettland verantwortlich gewesen zu sein. Die brasilianische Tageszeitung Imprensa Popular veröffentlichte am 19. Juli 1950 einen Artikel, in dem es hieß, Cukurs stehe angeblich als Nr. 17 auf der Liste der meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher, sogar seine genaue Wohnadresse in Rio wurde veröffentlicht. Daraufhin randalierten eines Abends junge Juden vor seinem Haus, sie wollten gegen die von ihm beantragte Einbürgerung protestieren. Cukurs beschloss, Rio den Rücken zu kehren. In der jüdischen Gemeinde geriet er danach in Vergessenheit – in Brasilien, nicht aber in Israel.
    Während des Eichmann-Prozesses berichtete

Weitere Kostenlose Bücher