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Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Titel: Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egmont R. Koch
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Anfang Mai 1961 der Holocaust-Überlebende Eliser Kashat auch über die deutschen Massaker an lettischen Juden. Cukurs sei einer der schlimmsten Kollaborateure gewesen, erzählte er. »Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie er Frauen und Kinder erschoss, auch wenn er heute behauptet, den Juden geholfen zu haben.« Und in Kanada gab der Holocaust-Überlebende Raphael Schub zu Protokoll: »Cukurs befahl, Benzinbehälter in der Synagoge von Riga auszuschütten und Feuer zu legen. Wer zu fliehen versuchte, wurde niedergeschossen.« Es gibt viele Aussagen dieser Art, einige vonihnen gingen in eine Bewertung des US-Geheimdienstes CIA ein: »Es wurde berichtet, dass Captain Cukurs im März 1945 Mitglied der lettischen Nazi-Organisation Perkonkrusts … und als Beteiligter eines berüchtigten Exekutionskommandos sehr aktiv bei der Hinrichtung von Juden war.«
    Cukurs war zweifellos ein Kriegsverbrecher, auch wenn die jüdische Gemeinde in Riga ihn heute eher für einen Mitläufer hält. Vielleicht war er nicht persönlich verantwortlich für die Massenerschießungen lettischer Juden, aber er war beteiligt und hatte ohne jeden Zweifel Blut an seinen Händen. Gut möglich, dass der Mossad ihn bedeutungsvoller machen wollte, als er war, um ihn als Zielobjekt für die geplante Operation zu legitimieren, die Ende September 1964 in die entscheidende Phase trat.
    Jakob Meidad hatte noch in Paris damit begonnen, sich einen Oberlippenbart wachsen zu lassen und eine dickumrandete Brille zu tragen. Das war aber auch schon genug der Mimikry, denn »mit meiner fortschreitenden Glatze, meinem rundlichen Bauch und meinem zufriedenen Gesichtsausdruck« habe er immer glaubwürdig gewirkt. Auch der vom Mossad gefälschte Pass sah professionell aus. Die Voraussetzungen für eine stimmige Legende als Österreicher Anton Künzle, der in Rotterdam seinen Geschäften nachgeht, würde dagegen einige Zeit in Anspruch nehmen: ein Bankkonto eröffnen, ein Postfach einrichten, Visitenkarten drucken lassen, ein Visum für Brasilien beantragen. Er sammelte in Holland alle Belege, die seinen Wohnort bestätigen konnten, Busfahrscheine, Kinokarten, Rechnungen, um sie später in seine Hosen und Jackets stopfen zu können. In seinem Koffer lagen nur Kleidungsstücke, die in Österreich gekauft waren, sogar Seife und Zahnbürste stammten von dort. Sein Auftrag war klar: Er sollte in Brasilien als reicher europäischer Investor auftreten, mit Cukurs in Kontakt kommen, sein Vertrauen gewinnen und ihn dann in eine Falle locken.
    Der Täter als Opfer: Herbert Cukurs (links) soll an Kriegsverbrechen gegen Juden in Lettland beteiligt gewesen sein; Jacob Meidad alias Anton Künzle (rechts) sollte Cukurs mit Hilfe einer Schlägertruppe entführen.
    Cukurs lebte inzwischen mit seiner Familie am einsamen Ufer eines Stausees am Stadtrand von São Paulo, er bot dort mit drei Wasserflugzeugen Rundflüge für ausländische Touristen an. Meidad reiste nach Brasilien, lernte den Alt-Nazi kennen, es gelang ihm sogar, als angeblicher Kriegsveteran und »Bruder im braunen Geiste« eine Art freundschaftlicher Beziehung zu seinem späteren Opfer aufzubauen. Er wurde ins Haus der Familie Cukurs eingeladen, mal zum Brandy auf der Terrasse, mal zu »Kaffee und Kuchen im Haus der Bestie«, wie der Mossad-Agent es später in seinem Buch formulierte. Nach mehreren Monaten war der Umgang so eng geworden, dass Meidad glaubte, den Köder auswerfen zu können, trotz aller Skepsis, die zwischenzeitlich immer wieder in Cukurs aufflackerte. Er bot dem Kriegsverbrecher ein gemeinsames Geschäftsprojekt in Montevideo an. Cukurs biss an.
    Shangrilá, in der Nähe des internationalen Flughafens von Montevideo, 23. Februar 1965. Unter dem Vorwand, für die zu gründende Firma geeignete Mietobjekte zu suchen, hat sich Meidad alias Künzle mit verschiedenen Immobilienmaklern verabredet. »Wir besichtigten mehrere Häuser … wie gewohnt führte Cukurs die Gespräche«, heißt es in der Geschichte des ehemaligen Mossad-Manns. Um die Mittagszeit steht noch eine Strandvilla in der Avenida Colombia auf dem Programm. Meidad geht voraus, zieht aus der Hosentasche den Schlüssel, den ihm angeblich der Hausbesitzer anvertraut hat. Herbert Cukurs folgt ein paar Schritte hinter ihm. »Ich drückte auf die Klinke, die weiße Tür öffnete sich nach innen … Da bot sich mir ein seltsamer, um nicht zu sagen komischer Anblick«, schreibt Meidad. Da »standen aufgereiht und halbnackt die Männer des

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