Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
einem engen Sweater und gutgeschnittenen Hosen, die ihre Figur sehr gut zur Geltung brachten«, schreibt Tinnin. Ihrem Verteidiger Annaeus Schjødt war das auch schon aufgefallen. Rafael blieb die ganze Zeit bei ihrer Version, sie heiße Patricia Roxburgh und habe mit alledem nichts zu tun.
Das Urteil am 1. Februar 1974 fiel milde aus: Rafael, Gehmer und Aerbel wurden zu fünf bzw. fünfeinhalb Jahren, Gladnikoff zu zweieinhalb, Steinberg zu einem Jahr Gefängnis verurteilt; Dorf wurde freigesprochen.
Bereits nach fünfzehn Monaten Haft, in denen sich ihre Beziehung zu Schjødt vertieft hatte, war Sylvia Rafael wieder auf freiem Fuß, musste das Land verlassen; sie ließ sich als Caesarea-Agentin beurlauben, arbeitete in ihrem erlernten Beruf als Fotografin, durfte irgendwann nach Norwegen zurückkehren und Annaeus Schjødt heiraten. 1992 zogen beide nach Südafrika, ihre alte Heimat, wo sie am 9. Februar 2005, kurz vor ihrem achtundsechzigsten Geburtstag an Leukämie starb. Ihrem Wunsch entsprechend wurde ihr Leichnam nach Israel überführt und auf dem Friedhof des Kibbuz Ramat Hakovesh bestattet, auf einer leichten Anhöhe, inmitten eines Orangenhains. Zur Trauerfeier kamen noch einmal viele ihrer Kollegen von damals zusammen, von denen sie ungeachtet der Ermordung eines Unschuldigen, an der sie beteiligt gewesen war, verehrt und bewundert wurde. Dazu zählte auch Mike Harari, Abraham Gehmer und Moti Kfir, ihr ehemaliger Ausbilder, der ihre Talente für den Mossad entdeckt hatte. Die ehemaligen Caesarea-Agenten sorgten auch für einen Grabstein. Er trägt unter dem Emblem des Mossad die eingemeißelte Inschrift: »Ich liebte mein Land mit all meinem Vermögen. Und kommt mein Tag, bringt mich heim in seine Erde …«
Die Jagd nach dem »roten Prinzen« aber ging nach der Schmach von Lillehammer im Juli 1973 unvermindert weiter. Der Mossad und vor allem Mike Harari sahen es als ihre größte Herausforderung an, die Mission doch noch zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen. Doch dafür musstezunächst eine neue Infrastruktur aufgebaut werden, denn in ganz Europa waren israelische Agenten, Helfer, Tarnadressen und Sicherheitshäuser »verbrannt«.
Giftige Pralinen – der Fall Haddad
»Ein hochrangiger SED-Funktionär kam in unser Hotel und sagte uns, Wadi Haddad müsse über die Geschmackszellen der Zunge vergiftet worden sein.«
Bassam Abu Sharif, ehemaliger palästinensischer Terrorist und Arafat-Vertrauter
Anfang März 1978. Ein Privatjet aus dem Nahen Osten befindet sich im Anflug auf den Flughafen Berlin-Schönefeld in der damaligen DDR. An Bord: ein schwerkranker Mann, der Kinderarzt Dr. med. Wadi Haddad. Er leidet seit Wochen an rätselhaften Symptomen. Alle Versuche, die seltsame Erkrankung in verschiedenen Krankenhäusern der arabischen Welt in den Griff zu bekommen, sind gescheitert. Haddads letzte Hoffnung ist die Charité in Ost-Berlin, eine der renommiertesten Kliniken in der ganzen Welt.
Haddad, genannt »Abu Hani«, ist Drahtzieher zahlloser internationaler Terroranschläge, Attentate und Flugzeugentführungen. Seine letzte Operation liegt erst wenige Monate zurück: Im Oktober 1977 haben seine Leute in Mallorca die Lufthansa-Maschine Landshut entführt, die dann in Mogadischu von der deutschen Eliteeinheit GSG9 gewaltsam befreit wurde. Abu Hani, ein christlicher Palästinenser, ist Chef der PFLP-SC, er operiert von Bagdad aus und betreibt im Südjemen ein Ausbildungslager für den weltweiten Terror; das PFLP steht für Popular Front for the Liberation of Palestine , eine von vielen palästinensischen Freiheitsbewegungen, und das special command (SC) ist verantwortlich für militärische Operationen.
Anfang September 1970, drei Jahre nach der Gründung der PFLP, entführten palästinensische Terroristen drei Passagiermaschinen gleichzeitig und zwangen sie zur Landung auf Dawson ’ s Field , einer provisorischen Landebahn in der jordanischen Wüste. Die spektakuläre Operation leitete damals Bassam Abu Sharif, ein enger Vertrauter Haddads. 310 nicht-jüdische Passagiere ließ Abu Sharif sofort frei, 57 Juden wurden später gegen palästinensische Häftlinge in Gefängnissen mehrerer Länder ausgetauscht; die Maschinen ließ Abu Sharif vor den Kameras der Weltöffentlichkeit in die Luft sprengen.
Am 30. Mai 1972 richteten japanische Terroristen im Auftrag Haddads am Flughafen Lod von Tel Aviv ein Blutbad an. In der Ankunftshalle nahmen sie ihre Maschinenpistolen und schossen wahllos mehr
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