Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)
als dreißig Israelis nieder. »Man kann Haddad den Osama bin Laden der siebziger Jahre nennen, er war der führende Kopf, sehr klug, den Sicherheitsorganen in Israel und anderen Ländern immer einen Schritt voraus«, erinnert sich Aaron J. Klein, ein früherer israelischer Geheimdienstoffizier. Der Mossad habe sich deshalb nach dem Lod-Massaker entschlossen, man müsse mit Haddad »irgendetwas machen«, ergänzt Ex-Agent Gad Shimron. »Irgendetwas machen« bedeutete das Todesurteil. Abu Hanis Schicksal war im gleichen Augenblick besiegelt, es blieb lediglich offen, wann ihn die Häscher des Mossad erwischen würden.
»Natürlich wusste Wadi, dass die Israelis hinter ihm her waren«, erzählt Bassam Abu Sharif, »jeder Palästinenser, der Bomben und Waffen gegen Israelis einsetzt, ist zum Tode verurteilt.« Sie hatten nach dem Lod-Massaker seine Häuser und Wohnungen zerstört und dabei viele Menschen getötet, aber ihn selbst hatten sie nie erwischt. In Beirut mieteten Mossad-Agenten sogar ein Apartment direkt gegenüber seiner damaligen Wohnung, um eine Rakete hinüberzuschicken; sie landeten einen Volltreffer, doch Haddad überlebte erneut.
Der Kinderarzt – ein Chefterrorist: Der Palästinenser Wadi Haddad starb qualvoll an einer Vergiftung, just zu jener Zeit, als er die Entführung der »Landshut« für die RAF überwachen musste.
Auch Bassam Abu Sharif stand seit Dawson ’ s Field auf der Liste der Israelis. Und er gab ein viel leichteres Ziel ab, denn er arbeitete offen im Informationsbüro der PFLP in Beirut. »Beinahe hätten wir Haddad in Beirut erwischt«, hielt ein Mossad-Operateur für seinen Chef fest, »aber er hatte Glück. Warum nehmen wir statt seiner nicht Abu Sharif aufs Korn?« Die Bestätigung kam umgehend: »Warum nicht? Wir leben sicher besser ohne ihn. Schickt ihm ein Präsent!« Bei dem »Geschenk« handelte es sich um das Buch »The Memoirs of Che Guevara«, sie hatten es innen ausgehöhlt und mit Sprengstoff gefüllt. Abu Sharif sollte mit derselben Methode getötet werden wie zwanzig Jahre zuvor Bundeskanzler Konrad Adenauer.
Am 25. Juli 1972 traf das Paket im PFLP-Büro in Beirut ein, wo es Abu Sharif arglos öffnete. »Für den Bruchteil einer Sekunde erblickte ich die beiden Stücke Plastiksprengstoff, die schwarzen Drähte und die winzigen grellroten Zünder«, erinnerte er sich später, »instinktiv warf ich mich zurück. Diese Bewegung rettete mir wahrscheinlich das Leben.« Die beiden Ladungen waren so platziert, dass eine nach oben zielte, um »mir den Kopf abzureißen«, die andere sollte nachunten losgehen »und die Beine vom Rumpf trennen«. Doch Abu Sharif kam mit dem Leben davon. Die Explosion riss die vorderen Glieder von Daumen, Zeige- und Mittelfinger ab, das rechte Auge wurde geblendet, das rechte Trommelfell zerstört; in seiner Kehle klaffte eine große Wunde. Und das waren nur die schlimmsten Verletzungen.
Auf dem Flug nach Ost-Berlin fast sechs Jahre später hat sich Abu Sharif längst von den Folgen des Bombenanschlags erholt, er begleitet seinen Chef Wadi Haddad deshalb auf dem Weg in die Charité. Abu Hani ahnt, dass sie ihn jetzt doch noch erwischt haben, dass er Opfer eines lautlosen israelischen Anschlags geworden ist. »Gift! Das war ihm klar, er kannte ja seine Blutwerte und die anderen Laborergebnisse, und er konnte sie als Arzt interpretieren«, erzählt Abu Sharif. Und dennoch habe er »noch immer Hoffnung gehabt, es bliebe Zeit, das Gift zu identifizieren. Denn wenn man die Zusammensetzung wüsste, gäbe es vielleicht noch eine Überlebenschance.« Es sollte sich als trügerische Hoffnung erweisen.
Unter strengster Geheimhaltung wird Haddad sofort nach der Landung mit einer Ambulanz ins Stadtzentrum gefahren und durch einen Hintereingang in die Charité eingeliefert. Der Klinikchef, Professor Otto Prokop, kümmert sich persönlich um »die hochgestellte Persönlichkeit«, wie er später in seinem Bericht für die Staatssicherheit formulieren wird. Für die medizinische Behandlung hat man dem Terrorchef ein Pseudonym verpasst: »Ahmed Doukli«. Dass es sich bei »Doukli« damals tatsächlich um den Terrorchef der PFLP-SC handelte, ergibt sich nicht nur aus dem Einlieferungsdatum, sondern vor allem aus der Charakterisierung des Patienten als »Arzt« und der Beschreibung seines Äußeren im späteren Obduktionsbericht: »Scheitelgebiete fast haarlos, Schnurrbart«. Das entspricht dem Bild von Haddad auf den wenigen Fotos, die von ihm existieren:
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