Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition)

Titel: Lizenz zum Töten: Die Mordkommandos der Geheimdienste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egmont R. Koch
Vom Netzwerk:
30. Juli 1997 ist ein eher ruhiger Mittwoch auf dem Mahane Yehuda Markt im Zentrum von Jerusalem, wo mehr als zweihundert Händler unter freiem Himmel Obst, Gemüse, Gewürze, Nüsse, Fisch und Fleisch verkaufen. Kurz vor 12 Uhr mischen sich zwei junge Männer unter die Menschen, sie tragen schwere Taschen, deshalb können sich mehrere Zeugen später an sie erinnern. Der eine Selbstmord-Attentäter zündet seine Bombe sofort, der zweite wartet, bis die ersten israelischen Rettungskräfte eintreffen; dann jagt auch er sich in die Luft. Die beiden Explosionen fordern einen hohen Blutzoll, sechzehn Israelis sterben, mehr als 170 werden verletzt.
    Es dauert 24 Stunden, bis der Inlandsgeheimdienst Shin Bet die beiden Palästinenser als Mitglieder des militärischen Flügels der Hamas identifiziert hat. Daraufhin lässt Benjamin Netanjahu, der ein Jahr zuvor zum Premierminister gewählt worden war, sofort sein Sicherheitskabinett zusammentreten, um sich die Befugnis für einen Vergeltungsschlag erteilen zu lassen: ein prominenter Hamas-Führer soll sterben. Einen Tag später präsentiert ihm Mossad-Chef Dany Yatom eine Liste möglicher Opfer, allesamt mittelrangige Hamas-Repräsentanten in Europa oder in Übersee. Leichte Ziele. Doch Netanjahu wischt die Zusammenstellung vom Tisch. Er wolle keine Handlanger, herrscht er seinen Memunen an, er wolle Führungsfiguren.
    Einen Tag später kehrt Yatom mit neuen Vorschlägen zurück: Khaled Meshal, Mohammed Nazal, Ibrahim Usah und Mussa Abu-Marzook. Netanjahu hat die drei ersten Namen noch nie gehört, lediglich Abu-Mazook, eigentlich ein US-Bürger, inzwischen ein Spitzenmann der Hamas in Jordanien, kennt er aus früheren Geheimdienst-Berichten. Khaled Meshal ist von den Mossad-Leuten an die erste Stelle gesetzt worden, um Netanjahu damit gewissermaßen in eine Richtung zu lenken, denn auch er gilt als »weiches« Ziel. Der weitgehend unbekannte Hamas-Funktionär ist mit Propaganda befasst und wird deshalb in Amman auch nicht übermäßig beschützt; die Terroranschläge des militärischen Flügels der Hamas dagegen werden aus Damaskus organisiert. Andererseits ist Jordanien für den Mossad eine no-go-area , seit dem Friedensvertrag zwischen Premierminister Yitzhak Rabin und König Hussein im Jahre 1994 dürfen israelischeAgenten dort nicht operieren, nur eine Handvoll Spione sammeln mit Duldung des Königs nachrichtendienstlich wertvolle Informationen. Netanjahu ordnet deshalb eine völlig geräuschlose Exekution Meshals an, er soll gewissermaßen gewaltsam eines »natürlichen« oder wenigstens »unerklärlichen« Todes sterben.
    Schon auf dem Weg zurück aus der Regierungszentrale in Jerusalem zum Hauptquartier des Geheimdienstes im Norden von Tel Aviv bereitet Yatom die Forderung seines Regierungschefs gehörige Kopfschmerzen. Er hätte eine Autobombe oder die Kugel eines Scharfschützen bevorzugt – das Übliche eben. Aber eine lautlose Exekution? Im Zentrum eines Landes, das fast als Alliierter Israels gilt? Der Memune bestellt sofort seine Experten ein, darunter den Chef der Informationsbeschaffung der Caesarea-Abteilung, einen kleinwüchsigen, aber sehr agilen Mittvierziger: Dr. Mishka Ben-David.
    »Wir erhielten den Auftrag, die Lebensumstände von Meshal in Amman zu erkunden, wo er wohnt, wo er arbeitet, was für ein Auto er fährt, wie er beschützt wird, seine Routine eben«, erinnert sich Ben-David, »wir starteten bei null und innerhalb einiger Wochen harter Arbeit wussten wir alles«. Zur gleichen Zeit arbeiten Wissenschaftler des ultrageheimen Israel Institute for Biological Research (IIBR) in Ness Ziona, zwanzig Kilometer südlich von Tel Aviv, an einer toxikologischen Lösung des Problems. Meshal soll mit einem heimtückischen Gift, einem synthetischen Opiat, getötet werden. Die Fachleute des IIBR schlagen ein Aerosol mit dem Wirkstoff Levofentanyl vor, das aus einem versteckten Mini-Container auf das Opfer versprüht werden kann.
    Bei Levofentanyl handelte es sich um einen chemischen Abkömmling von Fentanyl, einem sehr effektiven Medikaments gegen chronische Schmerzen, das hundertmal stärker wirkt als Morphium und häufig in der Palliativmedizin verwendet wird. Es ist gängige Praxis in der Pharmaindustrie, im Labor chemische Verwandte so genannter blockbuster zu erzeugen, in der Hoffnung, dabei auf neue marktfähige Produkte zu stoßen. Dazu werden am chemischen Molekül kleine Modifizierungen vorgenommen. Oft ändert sich die Wirkung nicht, meist wird

Weitere Kostenlose Bücher