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Lizenz zur Zufriedenheit

Lizenz zur Zufriedenheit

Titel: Lizenz zur Zufriedenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nico Rose
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Menschen ihrer Schemata gar nicht bewusst und reagieren sehr verwundert, wenn im Erwachsenenalter plötzlich ganz ungewohnte Erlebensweisen auftauchen, die sie von sich sonst nicht kennen [...].“
    Bildlich ausgedrückt sind Schemata also in der Kindheit angelegte Gefühlsschubladen. Wird eine solche Schublade durch ein Ereignis in der Gegenwart nur minimal geöffnet, so springt sie in der Folge automatisch vollends auf und bestimmt für eine gewisse Zeit unser gefühlsmäßiges Erleben und die zugehörigen Reaktionen. In den Worten Roedigers 211 : „Die Aktivierung eines Schemas führt also zu einer spezifischen Aktivierung [...] in einer ganz spezifischen Weise. Dadurch wird die aktuelle Situation immer mehr im Sinne der Schemata interpretiert und mit zunehmend starren Bewältigungsreaktionen reagiert. Die Schemata treiben das Verhalten in die vorgeprägten alten Bahnen.“
    Das heißt, die Aktivierung eines Schemas 212 hat nicht nur das Empfinden von „alten“ Gefühlen zur Folge: Es werden gleichzeitig, ganz automatisch, auch dieselben Reaktionsmuster und Bewältigungsstrategien reaktiviert, die in der Ursprungssituation (mehr oder weniger gut) funktioniert haben. Die Schematherapie unterscheidet dabei drei unterschiedliche Typen von Reaktionsmustern, die sich an den drei grundsätzlichen Verhaltensmustern von Säugetieren bei Gefahr orientieren: Flucht, Kampf und Unterwerfung; in den Worten der Schematherapie: Vermeidung, Kompensation und Erduldung. 213
    Dazu ein konkretes Beispiel:
    Ein Kind, das von den Eltern zu häufig allein gelassen wird, entwickelt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit das Schema „Verlassenheit / Instabilität“. Die Bewältigungsstrategie „Vermeidung“ könnte dann darin bestehen, in der Zukunft jeglichen intimen Beziehungen auszuweichen, allein zu leben, sich nicht erneut abhängig zu machen. Die Bewältigungsstrategie „Kompensation“ könnte bedeuten, in zukünftigen Beziehungen ausnahmslos sehr kontrollierend aufzutreten, andere von sich abhängig zu machen und die Beziehung zu beenden, bevor das Gegenüber es tun kann. „Erduldung“ schließlich mündet immer in eine Art Wiederholung der ursprünglichen Konstellation. Im Beispiel bleibend könnte sich das darin zeigen, nur Beziehungen zu Menschen einzugehen, die unnahbar, nicht frei, eigentlich nicht erreichbar sind. Alle Strategien eint, dass sie zum Ziel haben, die Verletzung, den psychischen Schmerz der Ursprungsreaktion nicht erneut durchleben zu müssen.
    Drum prüfe, wer sich ewig bindet
    Ich möchte im weiteren Verlauf des Kapitels allerdings nicht so sehr auf die bereits erwähnten Extremfälle, also körperlichen und seelischen Missbrauch bzw. akute Vernachlässigung, abstellen, die Gott sei Dank eher der Ausnahme als der Regel entsprechen. Es bleiben immer noch genug Baustellen, wenn man uns „Normalneurotiker“ unter die Lupe nimmt. Denn ganz egal, wie gut unsere Eltern mit uns als Kind umgehen: Wir kriegen sie auf jeden Fall „volle Dröhnung“ ab. 214 In den Worten Eric Bernes: 215 „Die Tragödie bzw. die Komödie des menschlichen Lebens besteht darin, dass das Leben bereits von einem Kleinkind im Vorschulalter geplant wird, einem Wesen, das nur eine sehr begrenzte Kenntnis von der großen Welt draußen hat und dessen Herz überwiegend mit Dingen angefüllt ist, die es von seinen Eltern erfahren hat.“
    Wir werden in eine Welt hineingeboren, die zu Beginn nur aus Mutter und (bedingt) aus Vater besteht. 216 Sie sind am Anfang unsere Welt. Sie sind unsere Futter- und Wärmequelle, unser Schutz vor jeglicher Gefahr, letztlich unsere einzige Überlebensgarantie. 217 Und: Wir sind instinktiv darauf programmiert, wie ein Schwamm alles aufzusaugen , was von ihnen kommt.
    Hier schließt sich nun der Bogen, den ich zum Auftakt dieses Kapitels geschlagen habe: Wenn es etwas gibt, was Menschen – zumindest in den ersten Lebensjahren und damit prägend – wichtiger ist als Erfolg und Zufriedenheit, dann sind es: Bindung, Sicherheit und Stabilität! Das Bedürfnis nach Bindung ist das grundlegendste, weil das erste Begehren im Leben eines jeden Menschen. 218 Dauerhafter Verlust der Bindung ist bei Menschenkindern – so wie bei den meisten Säugetieren – verknüpft mit mehr oder weniger starker Todesangst. Und das zu Recht: Die Bindung an die Eltern (im erweiterten Kontext: an das Rudel, die Sippe) zu verlieren bedeutet: (un-)mittelbare Gefahr für das Überleben. 219 Zwar gibt es in unserer zivilisierten

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